Das Reichsarbeitsministerium: Topografie des Terrors

In einer ganz bemerkenswerten Ausstellung beleuchtet das NS-Dokumentationszentrum in Köln vom 21. August bis zum 25. Oktober 2020 die Arbeit des Reichsarbeitsministeriums von 1933-1945. Konzipiert wurde sie durch die „Stiftung Topographie des Terrors“ in Berlin. Weiter hier!

Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre, in schwieriger Zeit, verließen sich die Menschen auf die Heilsversprechen des Nationalsozialismus. Viele – was weniger bekannt ist – wurden allerdings bald enttäuscht. Die bis heute als Beweis genannten Autobahnen – wie andere große Bauvorhaben – wurden tatsächlich noch in der Weimarer Republik geplant, die sich Adolf Hitler später auf die eigenen Fahnen schrieb. Schnell hätte er die Massenarbeitslosigkeit ab 1935 beseitigt, wird bis heute behauptet. Davon, dass die Gegenmaßnahmen zu ihrer Bekämpfung bereits in der Weimarer Zeit angelegt wurden und Hitler später stark auf Kriegswirtschaft und Hochverschuldung setzte, wollen manche auch heute nicht wahrhaben. Genauso wenig, dass Hitler die Arbeitslosenzahlen mit statistischen Tricks versteckte und so blitzartig um fast die Hälfte senkte. Nicht zu vergessen die durch das NS-Regime eingeführte Zwangsarbeit, durch Arbeitsdienst und Strafverfolgung Erwerbsloser. Hilfreich zu Diensten stand dabei immer das Reichsarbeitsministerium. Ein von Historikern lange unentdeckter Bereich, nicht zuletzt deshalb, weil es den alten Schärgen im Apparat nach dem Krieg gelang, während der Nürnberger Prozesse ihre Rolle herunter zu spielen.

Viele Unternehmen profitierten vom „neuen Geist des Arbeitsrechts“, vor allem die Wehrwirtschaftsführer. Zu damaliger Zeit schliff für sie ein gewisser Dr. Hans Carl Nipperdey das Arbeitsrecht mit allem was nötig war und „zur rechten Gesinnung“ im Sinne des Nationalsozialismus. Er unterstützte vor allem die Zwangsarbeit. Nach dem II. Weltkrieg wurde er der erste Präsident des Bundesarbeitsgerichts und schaffte per Richterrecht das politische Streikrecht ab. Noch heute liegt seine Lose-Blatt-Sammlung zum Arbeitsrecht auf den Richtertischen.

1933 stellte Hitler sein „Gesetz zur Verringerung der Arbeitslosigkeit“ vor, um die „restlose Eingliederung des so genannten 4. Standes“ vorzunehmen. Erste Maßnahme hierzu waren einmal die weitgehende Aufhebung des bis dahin garantierten Arbeits- und Rechts- und Tarifschutzes für Arbeitslose und der Aufbau eines riesigen Billiglohn-Sektors. Zweitens nach § 2 Abs. 6 dieses Gesetzes die Einführung von Kombilöhnen, wie wir dies bei den Hartz-Gesetzen heute wieder finden. Und mit diesen Methoden sollte der so genannten „4. Stand“ gefügig gemacht werden: „Deutsche Staatsangehörige können vom Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für eine begrenzte Zeit verpflichtet werden, auf einem bestimmten ihnen zugewiesenen Arbeitsplatz Dienste zu leisten oder sich einer bestimmten beruflichen Ausbildung zu unterziehen.“ 1935 wurde dieser „Reichsarbeitsdienst“ Gesetz. 

Auch in anderer Hinsicht ist die Ausstellung bemerkenswert. Sie beleuchtet den nahtlosen Übergang von Altnazis in die Arbeitsbehörden ab 1951 in der BRD unter Konrad Adenauer, die sich weitgehend wieder auf alte Methoden bezogen. Ganz anders in der DDR. „Die Erfahrungen aus der Weimarer Republik haben gelehrt, wie notwendig es ist, die reaktionären Berufsbeamten, die immer willfährig und bereit waren, jedem Herrn (Monarchie, Republik, Hitlerdiktatur) zu dienen, nicht wieder Einfluss in der Verwaltung gewinnen zu lassen“. (Jakob Schlör, Abteilungsleiter für Arbeit und Sozialfürsorge in der DDR 1947 ). Kein Wunder also, dass manche heute Parallelen zu den Hartz-Gesetzen ziehen. 

Beachtenswert waren zur Ausstellungseröffnung die beiden Ansprachen von Susanne Laugwitz-Aulbach, Dezernentin für Kunst und Kultur in Köln und Dr. Andrea Riedle, Direktorin der Stiftung Topographie des Terrors Berlin, die man nicht verpassen darf.

Aus der unglaublich intensiven wissenschaftlichen Aufarbeitung dieses Themas ist ein 311 Seiten starker, deutsch-englischer Ausstellungskatalog entstanden, der deutlichen Erkenntnisgewinn verspricht. (Hans-Dieter Hey)

Ergänzung 23.08.2020:

Am 1. Mai 1934 erfolgte mit dem „Gesetz zur Neuordnung der Arbeit“ die „Ausschaltung unverantwortlicher Zwischeninstanzen im Treueverhältnis zwischen Führer und Gefolgschaft“ (Reichsarbeitsminister Tobias Wilhelm Franz Seldte), nämlich die Betriebsratswahlen. Der statt dessen staatlich inszenierte „Vertrauensrat“ enttäuschte die Beschäftigten durch Arbeitszeitverlängerung, Willkür und Tarifsenkungen so sehr, das nach 1935 keine Vertrauensräte-Wahlen mehr durchgeführt wurden. Hitlers Sklavenwirtschaft und Zwangsarbeit mit 8 Millionen Menschen machten 20 Prozent der Arbeitskräfte bis Ende 1944 aus. Im Jahr 1933 gab es 4,8 Mio. Arbeitslose, Ende 1938 nur noch 429 Tausend. Die Erfolge wurden allerdings dadurch erreicht, dass das Reichsministerium für Arbeit mit statistischen Tricks die Arbeitslosigkeit schnell um 40 Prozent senkte, aber auch die Weltwirtschaftskrise ihren Tiefpunkt überschritten und die Weimarer Reichsregierung bereits 700 Mio. RM für Arbeitsförderungsmaßnahmen eingeplant hatte, die später durch Hitler auf 850 Mio. aufgestockt wurden. Bis 1936 summierten sich diese auf 5 Mrd. RM. Insbesondere durch Hochverschuldung wurde der Markt angeheizt und hohe Wachstumsraten von im Schnitt 19,12 Prozent erzielt (in der Kriegswirtschaft sogar 41,42 %!). Das Wachstum war wesentlich erkauft durch Staatsschulden, die 1933 rund 11,8 Mrd. Reichsmark betrugen. Bis Ende 1945 stieg die Verschuldung auf 379 Mrd. RM, eine Steigerung um sagenhafte 3121 Prozent! Auch hohe Steuersenkungen, vor allem für die Kriegswirtschaft, verschlechterten die ökonomische Situation. Das Nazireich hatte nicht nur den Krieg verloren, sondern war schlichtweg Pleite.

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Das Reichsarbeitsministerium 1933-1945
Beamte im Dienst des Nationalsozialismus
Hrsg.: Stiftung Topografie des Terrors, Berlin 2019
ISBN-10:3941772414
ISBN-13:987-3941772414
16,00 Euro

2 Gedanken zu „Das Reichsarbeitsministerium: Topografie des Terrors“

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