Variablen setzten Beginn
Unter dem Motto ‚Zusammenhalten statt Dörferwegbaggern fand vom 11.-19.08.2018 am Lahey-Park bei Erkelenz zum 9. Mal das Klimacamp im Rheinland statt. Ziel war der Informationsaustausch und die Vernetzung verschiedener Aktivistengruppen. Durch Ausstellungen, Präsentation von Filmdokumenten, Workshops z. B. zur Öffentlichkeitsarbeit und Podiumsdiskussionen mit Aktivisten, umsiedlungsbetroffenen Anwohnern und Gewerkschaftern sollten Ideen entwickelt werden, wie das Rheinland der Zukunft ohne Kohlestrom aussehen kann.
Zur Veranschaulichung des aktuellen Status quo fand am 18.08.2018 eine Fahrradtour durch das vom Braunkohletagebau Garzweiler II vorgesehene Gebiet statt. Mehr als 100 Teilnehmer durchstreiften auf der 27 km langen Rundfahrt das bereits im Abriss befindliche Alt-Immerath, die ebenfalls zum Abriss und Umsiedlung ausgewiesenen Orte Lützerath, Keyenberg, Kuckum, Westrich, Berverath sowie den Gutshof Eggerath, warfen am Aussichtspunkt ‚Skywalk‘ bei Jackerath einen Blick in den 270 Meter tiefen Tagebau und besuchten eine Aktivistin in dem entgegen ursprünglicher Planung vom Abriss verschonten Ort Holzweiler.
An mehreren Haltepunkten informierten Aktivisten aus der Region über die technischen Details des Tagebaus und seiner Auswirkungen auf Umwelt, Infrastruktur und gewachsener Traditionen.
Thomas Milika schilderte am ‚Skywalk‘ die Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel. Denn damit der Tagebau nicht mit Wasser vollläuft, wird es rund um das Loch mit 1200 Brunnen bis auf 300 Meter Tiefe abgepumpt und in die umliegenden Flüsse Erft, Niers und Inde abgeleitet. Insgesamt 135 Mio. cbm Wasser werden so jährlich dem Boden entzogen – was sich auf die Pflanzenwelt bis ans deutsch-niederländische Grenzgebiet bemerkbar macht. Zum Vergleich: die 260.000 Einwohner zählende Stadt Mönchengladbach kommt auf einen Jahresverbrauch von 30 Mio. cbm.
Im Zuge der diesjährigen Dürre wird das abgepumpte Wasser teilweise wieder per Tankwagen zur Felderbewässerung an die Bauern verteilt: das Wasser ist kostenlos, die Transportkosten müssen die Landwirte aber bezahlen.
Im Zuge der Abraumbeseitigung vor der Braunkohlegewinnung mussten, so Milika, auch mehrere ehemalige Mülldeponien geöffnet und – auf RWE-betriebseigenen Gebiet – neu entsorgt werden.
In dem bereits vom fortgeschrittenen Abriss betroffenen Alt-Immerath erinnerte sich Hans Stenzel an die hier einmal bestehende Infrastruktur mit eigenem Krankenhaus, Schulen, Geschäften und der als ‚Immerather Dom‘ verehrten, doppeltürmigen Dorfkirche
– und wies auf, wie wenig hiervon in ‚Neu-Immerath‘ davon erhalten geblieben ist. Erstmals im Zuge der Umsiedlungen, so Stenzel, wurde in Immerath auch das Kirchenland enteignet, nachdem sich die örtliche Gemeinde samt Pfarrei lange gegen die Umsiedlung mit gewehrt hatte.
In dem noch mit 60% der ursprünglichen Einwohnerzahl bewohnten Keyenberg konnten die Betroffenen dagegen bisher nicht mit der Unterstützung der Kirche rechnen, beklagte vor Ort Anwohner Ingo Bajerke: bereits 2019 soll die hier bestehende Kirche entweiht werden, noch bevor der größte Teil der Umsiedlung abgeschlossen ist. Als Ersatz ist im neuen Ort nur noch eine Kapelle vorgesehen – in der dann für die Orgel und den historischen Altar der jetzigen Kirche kein Platz sein wird. Die Mitglieder der Kirchengemeinde wurden in diese Neuplanungen nicht einbezogen, so Bajerke.
Lisa Irving aus dem vom Abriss verschont gebliebenen Holzweiler räumte dazu ein, dass unter der betroffenen Bevölkerung lange Zeit wenig Widerstand gegen die Umsiedlungspläne zu entfachen war. Viele neigten zu Fatalismus oder versuchten statt dessen, in den Verhandlungen mit dem RWE über die Entschädigungen ihren eigenen Vorteil zu erzielen. Auch heute könnte der Widerstand stärker sein, so Irving: ‚Wer war denn jetzt von den Keyenbergern, den Berverathern usw. bei euch dort im Klimacamp?‘
Petra Schmitz, Landwirtin auf dem seit Generationen in Familienhand betriebenen Gut Eggerath, hofft dagegen immer noch auf ein Umdenken der Politik und der Energiewirtschaft. Ihr Hof wäre als letzter von Abriss und Umsiedlung betroffen. ‚Landtausch als Entschädigung bietet das RWE nur an, wenn man eine Nachfolgegeneration vorweisen kann – damit hätten wir noch Glück. In anderen Fällen gibt es nur Geld.‘ Und das fließt heute längst nicht mehr so großzügig wie früher – mit Braunkohle ist nicht mehr viel zu verdienen.
Udo Slawiczek
Unter dem Motto 'Zusammenhalten statt Dörferwegbaggern fand vom 11.-19.08.2018 am Lahey-Park bei Erkelenz zum 9. Mal das Klimacamp im Rheinland statt. Ziel war der Informationsaustausch und die Vernetzung verschiedener Aktivistengruppen. Durch Ausstellungen, Präsentation von Filmdokumenten, Workshops z. B. zur Öffentlichkeitsarbeit und Podiumsdiskussionen mit Aktivisten, umsiedlungsbetroffenen Anwohnern und Gewerkschaftern sollten Ideen entwickelt werden, wie das Rheinland der Zukunft ohne Kohlestrom aussehen kann.
Zur Veranschaulichung des aktuellen Status quo fand am 18.08.2018 eine Fahrradtour durch das vom Braunkohletagebau Garzweiler II vorgesehene Gebiet statt. Mehr als 100 Teilnehmer durchstreiften auf der 27 km langen Rundfahrt das bereits im Abriss befindliche Alt-Immerath, die ebenfalls zum Abriss und Umsiedlung ausgewiesenen Orte Lützerath, Keyenberg, Kuckum, Westrich, Berverath sowie den Gutshof Eggerath, warfen am Aussichtspunkt 'Skywalk' bei Jackerath einen Blick in den 270 Meter tiefen Tagebau und besuchten eine Aktivistin in dem entgegen ursprünglicher Planung vom Abriss verschonten Ort Holzweiler.
An mehreren Haltepunkten informierten Aktivisten aus der Region über die technischen Details des Tagebaus und seiner Auswirkungen auf Umwelt, Infrastruktur und gewachsener Traditionen.
Thomas Milika schilderte am 'Skywalk' die Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel. Denn damit der Tagebau nicht mit Wasser vollläuft, wird es rund um das Loch mit 1200 Brunnen bis auf 300 Meter Tiefe abgepumpt und in die umliegenden Flüsse Erft, Niers und Inde abgeleitet. Insgesamt 135 Mio. cbm Wasser werden so jährlich dem Boden entzogen - was sich auf die Pflanzenwelt bis ans deutsch-niederländische Grenzgebiet bemerkbar macht. Zum Vergleich: die 260.000 Einwohner zählende Stadt Mönchengladbach kommt auf einen Jahresverbrauch von 30 Mio. cbm.
Im Zuge der diesjährigen Dürre wird das abgepumpte Wasser teilweise wieder per Tankwagen zur Felderbewässerung an die Bauern verteilt: das Wasser ist kostenlos, die Transportkosten müssen die Landwirte aber bezahlen.
Im Zuge der Abraumbeseitigung vor der Braunkohlegewinnung mussten, so Milika, auch mehrere ehemalige Mülldeponien geöffnet und - auf RWE-betriebseigenen Gebiet - neu entsorgt werden.
In dem bereits vom fortgeschrittenen Abriss betroffenen Alt-Immerath erinnerte sich Hans Stenzel an die hier einmal bestehende Infrastruktur mit eigenem Krankenhaus, Schulen, Geschäften und der als 'Immerather Dom' verehrten, doppeltürmigen Dorfkirche
- und wies auf, wie wenig hiervon in 'Neu-Immerath' davon erhalten geblieben ist. Erstmals im Zuge der Umsiedlungen, so Stenzel, wurde in Immerath auch das Kirchenland enteignet, nachdem sich die örtliche Gemeinde samt Pfarrei lange gegen die Umsiedlung mit gewehrt hatte.
In dem noch mit 60% der ursprünglichen Einwohnerzahl bewohnten Keyenberg konnten die Betroffenen dagegen bisher nicht mit der Unterstützung der Kirche rechnen, beklagte vor Ort Anwohner Ingo Bajerke: bereits 2019 soll die hier bestehende Kirche entweiht werden, noch bevor der größte Teil der Umsiedlung abgeschlossen ist. Als Ersatz ist im neuen Ort nur noch eine Kapelle vorgesehen - in der dann für die Orgel und den historischen Altar der jetzigen Kirche kein Platz sein wird. Die Mitglieder der Kirchengemeinde wurden in diese Neuplanungen nicht einbezogen, so Bajerke.
Lisa Irving aus dem vom Abriss verschont gebliebenen Holzweiler räumte dazu ein, dass unter der betroffenen Bevölkerung lange Zeit wenig Widerstand gegen die Umsiedlungspläne zu entfachen war. Viele neigten zu Fatalismus oder versuchten statt dessen, in den Verhandlungen mit dem RWE über die Entschädigungen ihren eigenen Vorteil zu erzielen. Auch heute könnte der Widerstand stärker sein, so Irving: 'Wer war denn jetzt von den Keyenbergern, den Berverathern usw. bei euch dort im Klimacamp?'
Petra Schmitz, Landwirtin auf dem seit Generationen in Familienhand betriebenen Gut Eggerath, hofft dagegen immer noch auf ein Umdenken der Politik und der Energiewirtschaft. Ihr Hof wäre als letzter von Abriss und Umsiedlung betroffen. 'Landtausch als Entschädigung bietet das RWE nur an, wenn man eine Nachfolgegeneration vorweisen kann - damit hätten wir noch Glück. In anderen Fällen gibt es nur Geld.' Und das fließt heute längst nicht mehr so großzügig wie früher - mit Braunkohle ist nicht mehr viel zu verdienen.
Udo Slawiczek