Pulse of Europe – kritisch betrachtet

Köln – Über 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen heute auf dem Roncalliplatz in Köln zusammen, um gemeinsam für ein vereintes und demokratisches Europa zu demonstrieren. So weit, so gut. Kritiker bzw. Kritiken wurden direkt zu Anfang in die verschwörungstheoretische Ecke platziert. Und das, obgleich es Anlass zu berechtigter Kritik durchaus gibt.

So ruft PoE auf deren Internetseite dazu auf, „Proeuropäische Regierungen“ zu wählen. Damit stellt sich aber nun die Frage, wer denn die „Proeuropäischen Regierungen“ sein sollen. In Deutschland tut man sich schwer, eine Partei in der Parteienlandschaft zu finden, die im Sinne des „Europäischen Freundschaftsvertrages“ regieren könnte.

Waren es nicht CDU, CSU und SPD, die mit ihrer Austeritätspolitik und ihrer Politik des gnadenlosen Wettbewerbs dafür gesorgt haben, dass Europa gespalten und Staaten vor dem „Aus“ stehen? Am Beispiel Griechenlands führten massiv gestiegene Arbeitslosigkeit, mangelnde soziale Absicherung und extreme Rentenkürzungen zu sprunghaft gestiegenen Selbstmordraten. Der Export des „Erfolgsmodells Hartz IV“ mit seinen drastischen Folgen für die Menschen ist jedenfalls nicht europafreundlich und führt zu der weiteren Frage, ob man ein liberales oder neoliberales Europa für die Menschen will. Ein Europa, dass Menschen auf ihren ökonomischen Nutzen reduziert, ist der falsche Weg. Die Wirtschaft ist für die Menschen da und nicht umgekehrt, heißt ein alter, aber weiser Spruch.

Auch in Fragen der Flüchtlingspolitik hat sich Deutschland keinesfalls mit Ruhm bekleckert. Im Gegenteil. Das Favorisieren einer Abschottungspolitik mit Sicherung der Außengrenzen gegenüber Menschen, die politisch verfolgt oder vor Kriegen fliehen, steht einem sich stets auf humanistische Werte berufendes Europa diametral gegenüber. Auf welch heruntergekommener Ebene die immer wieder beschworenen „europäischen Werte“ inzwischen diskutiert werden, zeigt sich, wenn sich der ehemalige Chefredakteur einer bayrischen Verlegerfamilie zur Lösung des Flüchtlingsproblems vorstellen kann, Gummibootfabriken in Libyen mittels Drohnen zu bombardieren (Die Zeit, 30.09.2015).

Insbesondere die Austeritätspolitik Deutschlands hat maßgeblich dazu beigetragen, dass rechtspopulistische Bewegungen und Parteien entstanden sind. Jedenfalls sind PEGIDA, AFD und alle andere am rechten Rand nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern im Dunstkreis der jeweils herrschenden Politik in Europa entstanden – dominiert vor allem durch Deutschland. Die Geister die man rief wird man nur schwerlich wieder los. „Pulse of Europe“ muss sich diesen kritischen Fragen stellen. Und zwar ohne gleich von Verschwörungstheorie zu reden. (BB)

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