Dannröder Forst: Polizeigewalt gegen Pressevertreter

Aus dem Polizeibericht vom 7. Dezember 2020: „Am frühen Morgen haben Einsatzkräfte die noch vorhandenen letzten Strukturen eines ehemaligen Camps im Dannenröder Forst umstellt und unmittelbar mit der Räumung begonnen. Hierbei wurden die eingesetzten Polizistinnen und Polizisten erneut mit Flüssigkeiten unbekannten Ursprungs beworfen. Während der Maßnahmen kam es immer wieder zu Gegenwehr, so dass die Kräfte gezwungen waren, unmittelbaren Zwang anzuwenden.“ Diese „Maßnahmen“ machten wohl auch vor Pressemitgliedern nicht halt. Weiter hier!

Genau an diesem Morgen um 5 Uhr ist unser Fotograf Martin J. unterwegs, um die Situation im Dannenröder Forst zu dokumentieren. Er geht dabei von der selbstverständlichen Annahme aus, seine Arbeit unbehindert und durch die Polizei geschützt wahrzunehmen. Schließlich handelt es sich um die grundrechtlich verbriefte Meinungs- und Pressefreiheit, auf die wir in diesem Land so stolz sind. Soweit die Theorie.

Tritte an den Kopf

Gegen 5:30 Uhr sichtet J. eine Polizeidrohne und Sekunden später findet – offenbar ohne Vorwarnung – überfallartig die Räumung des Forstes statt. Ziel der Attacke ist auch er. „Ich mache gerade Fotos und werde zu Boden geworfen“ gibt er später zu Protokoll. Mehrfach ruft er: „Presse! Presseausweis, ich bin von der Presse!“ Trotzdem wird er unrechtmäßig niedergeworfen und gefesselt. Ein Beamter des USK, des Unterstützungs-Kommandos aus Bayern, tritt ihn daraufhin gegen den Kopf.

Ab diesem Zeitpunkt sei er orientierungslos gewesen, seine Nase blute, teilt er später sichtlich erschüttert mit. Ein Mitglied des USK entdeckt den Presseausweis und meint: „Dann macht ihn los.“ In Folge dieses Vorfalls hat J. durch den Tritt an den Kopf Prellungen, Schürfwunden und Schmerzen beim Drehen seines Kopfes, ergibt die Anamnese des Arztes. Der Tritt war so stark, dass auch seine 300 Euro teure Brille vollständig demoliert wurde. Der Vorfall ist schwerwiegend und müsste für die Beamten strafrechtliche Folgen nach § 340 Strafgesetzbuch haben. Auch soweit die Theorie.

USK Bayern bekannt für Brutalität

Das USK aus Bayern wurde als „Schlägertruppe“ bereits öfter unrühmlich in den Medien erwähnt. Manche Beamte und Beamtinnen scheinen intellektuell überfordert und es gibt ein grundsätzliches Missverständnis zu unseren Grundrechten. Souverän im Lande ist das Volk und nicht die Polizei. Offenbar fehlt es in der bayrischen Polizei an Respekt vor diesem Souverän, der ihr das Gewaltmonopol nur als äußerste Ausnahme übertragen hat. Vorrangig gilt in diesem Land das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Dienstherr Joachim Herrmann (CSU), Innenminister in Bayern, muss endlich deutlich machen, dass die Polizei auch bei Räumungsmaßnahmen zuvörderst die körperliche und seelische Unversehrtheit sicher zu stellen hat. Diese Unversehrtheit der Person gilt insbesondere für Pressevertreter.

Doch die Vorkommnisse stoßen in in all den Jahren auf taube bayrische Ohren und führen nicht zur notwendigen geistigen Reife des Innenministers, schon gar nicht zu längst überfälligem Handeln. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer wird aus alten Zeiten seine bayerischen Pappenheimer kennen und legt regelmäßig schützend seine Hand über sie. Vielleicht ist ein Grund, die von Nichtregierungsorganisationen und Ländervertretungen geforderte Untersuchung zur Polizeigewalt abzulehnen – nebst einer Kennzeichnungspflicht für Polizisten.
Statt dessen gab Seehofer an diesem Dienstag bekannt, dass er eine Untersuchung zur Arbeit der Polizei in Auftrag geben wird. Teil dieser Untersuchung soll die Gewalt gegen die Beamtinnen und Beamte sein. Unter Wahrung der Neutralität soll dies untersucht werden durch Prof. Dr. Anja Schiemann, Strafrechtsprofessorin an der Polizeihochschule Münster. Man kann erahnen, was dabei herauskommt, wenn sich die Polizei selber untersucht. Die TAZ spricht am 8. Dezember von einer „Feel-Good-Studie“, die sowohl rechtsradikale Tendenzen in der Polizei ausklammert wie auch deren rechtswidrigen Übergriffe.

Und immer wieder Polizeigewalt

Lediglich ein Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum beschäftigt sich mit rechtswidriger Polizeigewalt in ihrem Projekt „Kviapol“. In einem Zwischenbericht kommt sie auf mindestens 12.000 Vorfälle dieser Art jährlich, berichten die Sendung „Kontraste“ und der „Spiegel“. Das sind fast zehnmal mehr, als die Polizeistatistik ausweist. Allein in unserem Medienverband ist dies inzwischen der dritte Fall von Polizeigewalt. In einem weiteren Vorfall wurde einem unserer Fotografen so brutal die Kamera ins Gesicht geschlagen, dass er mit einer Augenverletzung im Krankenhaus behandelt werden musste.Einer Mitteilung der Gewerkschaft ver.di zufolge wurden im Jahr 2019 insgesamt 33 Journalistinnen und Journalisten bei ihrer Pressearbeit behindert, „davon 4 von der Polizei körperlich angegriffen, geschlagen, geschubst oder in die Kamera gegriffen.“Aus einer Pressemitteilung von R-mediabase vom 9. Dezember:

„Diese gewaltsame Behinderung der Pressearbeit erfordert verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit und Empörung. Es kann nicht die Aufgabe der Polizei sein, im Konfliktfeld der Durchsetzung fragwürdiger politischer Entscheidungen gegenüber zivilen Schutzaktionen die politischen Interessen gewaltsam durchzusetzen.“ Die vollständige Pressemitteilung findet sich hier. Offenbar gibt es doch noch andere wichtige Themen als Corona. Im Jahr 2016 hatte R-mediabase anlässlich der Photokina eine Ausstellung zur Polizeigewalt. Offenbar ist das Thema nicht vom Tisch zu bekommen. (11.12.2020, Hans-Dieter Hey)

Mehr zur Polizeigewalt im Dannenröder Forst hier!

Video zur Polizeigewalt anlässlich der Photokina 2016 hier:

 

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