Wie umgehen mit „anrüchigen“ Straßennamen?

Seit den neuesten antirassistischen Protesten in den USA und den immer dreister auftretenden rechtsextremen Elementen in Deutschland besinnt man sich (endlich) auch hier, über diverse Verhaltensmuster und Gedankenlosigkeiten nachzudenken, die „nicht-weiße“ Mitbürger als eine Art stillen Rassismus erleben. Teil der Diskussion ist die Durchforstung der Kommunen nach Straßennamen, die bis jetzt an unrühmliche Ereignisse oder zweifelhafte Figuren der Zeitgeschichte erinnerten. Nur ist das manchmal gar nicht so einfach – in mehrerer Hinsicht. Weiter unten mehr !

 
So wollten die Berliner Verkehrsbetriebe neulich ihre U-Bahnstation Mohrenstraße in Glinkastraße umbenennen – bis man merkte, dass dieser neue Namenspatron, ein russischer Komponist, auch mit antisemitischen und polenfeindlichen Sprüchen aufgefallen war. Womit die Idee erst einmal auf Eis gelegt wurde.

Auch die Stadt Köln stellte sich kurz darauf die Frage nach dem Umgang mit „ihrer“ Mohrenstraße. In dieser endet traditionell alljährlich am Rosenmontag der Karnevalsumzug – womit es also aussieht, als bekomme der Mohr nur noch, was von „Kamelle“ und „Strüßjer“ (zu deutsch: Wurfmaterial in Form von Süßigkeiten und Blumen) an Ende übrig blieb.
Nun hat die Mohrenstraße in Köln ursprünglich aber gar nichts mit kolonialer Denke zu tun, sondern soll an einen gewissen Gregorius Maurus erinnern. Da muss man auch erstmal drauf kommen.

Der Name deutet auf eine mauretanische, also schwarzafrikanische Herkunft hin. Gregorius Maurus war zur Römerzeit ein – mutmaßlich also dunkelhäutiger – Legionär, der sich weigerte, an einem Progrom gegen die damals kleine Christengemeinde in Köln teilzunehmen und daraufhin wegen Befehlsverweigerung hingerichtet wurde.  Seinem Zenturio (Kompaniechef) Gereon, dem es ebenso erging, ist in Köln eine Kirche gewidmet, auf die die heutige Mohrenstraße zuführt.

Gregorius Maurus hat es für seine anständige Haltung also redlich verdient, Namensgeber für eine Straße zu sein. Aber warum schreibt man den Namen dann nicht richtig drauf – abgesehen vom unnötigen Palaver um die scheinbar diskriminierende Benennung? Hier wäre eine Umbenennung oder besser Namenskorrektur also angebracht.

Anders verhält es sich bei der auf den ersten Blick unauffällig klingenden Iltisstraße im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. Dieser recht lebhafte Asphaltstreifen, flankiert von Wohnhäusern einer gemeinnützigen Genossenschaft und 26 Ladenlokalen (von denen keines leersteht), zieht sich 1 Kilometer aus der Mitte des Viertels zu einer Ringstraße am Ortsrand, von der wiederum weiter nordwärts die BAB 57 abgeht. Was aber nicht viele wissen: die Iltisstraße hat ihren Namen nicht von diesem manchmal etwas aufdringlich müffelnden Nagetier.
Folgt man der Straße stadtauswärts, findet sich die Auflösung in Form von zwei nach links abgehenden Seitenstraßen: zuerst die kleine Lans- und etwas weiter die längere Takustraße. Die Lansstraße stößt an ihrem anderen Ende wieder an die Takustraße. Das so entstandene Dreieck wird von Eingeweihten immer noch das „Chinesenviertel“ genannt.
Hier wohnen keine Chinesen. Aber Taku liegt in China – und war im Jahr 1900 einer der Schauplätze in einem Kolonialkrieg, des sogenannten Boxeraufstands. Die europäischen Kolonialmächte sowie die USA und Japan machten damals noch gemeinsame Sache bei der Niederschlagung chinesischer Milizen, die sich gegen die Benachteiligung durch privilegierte ausländische Handelsniederlassungen wehrten. Mit im Spiel war dabei das deutsche Kanonenboot „Iltis“ mit seinem Kapitän Wilhelm von Lans.
Die Zahl der in diesem Feldzug insgesamt gefallenen Soldaten liegt bei etwa 3000, die der als „Boxer“ bezeichneten Milizen ist bis heute unbekannt. Einigermaßen sicher ist man bei den getöteten Zivilisten, sie ist wesentlich höher und liegt bei 105.000.

Das so zu seinem Namen gekommene Kölner „Chinesenviertel“ entstand um 1913, als sich das Deutsche Reich noch als koloniale Weltmacht aufplusterte.
Seit 2009 wird auch hier immer mal wieder thematisiert, ob man es bei den Namen belässt, oder wie damit sonst umgegangen werden soll. Anrainer der betroffenen Straßen, vor allem die jetzt schon von Corona-bedingten Umsatzeinbußen betroffenen Geschäftsleute, sind eher gegen eine Umbenennung – denn die ist mit Aufwand und Kosten verbunden: allen Freunden und Bekannten die „neue Adresse“ mitteilen, neue Visitenkarten und Briefköpfe drucken, Webseiten ändern… Auch der ortsansässige Karnevalsverein der „Ehrenfelder Chinesen“ befürchtet, dann in eine Identitätskrise zu fallen.

Bis jetzt hat man es wohl deshalb bei einer Gedenktafel am Takuplatz belassen, wo die Iltis- und die Takustraße zusammentreffen. Aber wie das wohl Gäste aus Kölns Partnerstadt Peking finden würden, wenn sie davon Wind bekämen?
Udo Slawiczek

3 Gedanken zu „Wie umgehen mit „anrüchigen“ Straßennamen?“

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