Wiedervereinigung: Trotz Jubelfeiern wächst die Spaltung

Angela Merkels Werbespruch zur Bundestagswahl am 24. September „Für ein Land, in dem wir gut und gerne leben“ zeigt einmal mehr ihre Arroganz, Abgehobenheit und Fremdheit gegenüber den Menschen im Lande. Dafür wurde die CDU/CSU herb bei den Bundestagswahlen abgestraft. Und die SPD, weil sie mitmachte. Trotzdem beharrte Merkel einen Tag später auf ihrer Lernunfähigigkeit: „Ich sehe nicht, was wir anders machen sollten“. Weiter unten mehr!

Nun, am 3. Oktober, dem Tag der „Wiedervereinigung“, fällt Angela Merkel die Realität auf die Füße. Der Osten Deutschlands wirft ihr vor, die bestehenden Probleme schlichtweg ausgesessen zu haben. Manche sind der Meinung, die Liste der guten Taten wäre genauso lang wie die der schlechten Taten. Doch während man die guten besoffen oder kritiklos im Einheitsgedudel feiert, entzündet sich die Kritik am politischen Desaster.

Zu den vergebenen Chancen im Osten kommen inzwischen die vergebenen Chancen im Westen hinzu. Denn dort sieht es an vielen Orten ebenso aus wie in einem Drittland. Landstriche veröden, menschlich wie kulturell. Menschen entfliehen dem Zerfall und dem eigenen Untergang bevor sie Hartz-IV bekommen. Zur Erinnerung: Die Flucht der gut Ausgebildeten aus der ehemaligen DDR und damit ihr teilweise geistiges Ausbluten war einer der Sargnägel für ihre Existenz.

Sicher: Es war nicht alles schlecht nach der Wiedervereinigung, die dem Osten im Wesentlichen durch den Griff in die westdeutsche Rentenkasse und den „Soli“ zugute kam. Aber nach 27 Jahren – und mit 12 Jahren fast die Hälfte unter Merkel – muss man feststellen, dass viele Aufgaben durch die Zukunftsverweigerin Merkel und ihre „schwarzer 0“ unter die Räder gekommen sind. Herunter gekommene Schulen und Krankenhäuser, kaputte Straßen und Autobahnen, horrende Mieten usw. usw.. Das ist auch nicht einfach nur Ländersache, wenn überall die „schwarze 0“ vorgegeben ist. Die Liste der Löcher ist inzwischen so lang, dass ihr Stopfen Jahrzehnte bräuchte.

In den 27 Jahren in denen die ostdeutsche Landschaft blühen sollte, mussten sozial funktionierende Gemeindezentren toten, überall gleichen Mega-Einkaufszentren weichen. Es war die Zerstörung ganzer Kulturräume. Kaum ein Dorf hat noch einen Laden. Im thüringischen Altengottern, das für viele Dörfer stehen kann, mit 1.200 Einwohnern, gab es damals drei Läden, zwei Metzger, drei Bäckereien, ein Gemeindezentrum, drei Kneipen. Heute ist das soziale Leben am Ende – nichts mehr davon zu sehen. Die Jugend wandert chancenlos ab.

Matthias Werner, Präsident des „Kuratoriums ostdeutscher Verbände“, warf auf deren „11. Alternativen Einheitsfeier“ am 3. Oktober den Bundesregierungen Rentenunrecht vor. Viele Jahre bei Studierenden, Bergleuten oder Krankenschwestern wurden nicht angerechnet und deshalb nicht die gleichen Rentenpunkte wie im Westen erreicht. Siegerjustiz. Auch der Sozialabbau, den alle betrifft, regt Werner auf. „…denken sie nur an die Genossen im Ruhrgebiet, denen es genauso dreckig geht wie vielen Menschen in etlichen ostdeutschen Regionen.“ Und heute? Aus prekären Löhnen werden prekäre Renten. Der Kuchen ist immer gleich groß, doch unter der Aussitzerin Merkel konnten die Stücke weiter zugunsten Vermögender verteilt werden. 

Angela Merkel war eine Realitätsverweigerin, weil sie die Probleme nicht sehen wollte: Sie war eine Verantwortungsverweigerin, weil sie bis heute glaubt, die Dinge lösten sich von selbst, wenn der Markt regiert. Doch die „Märkte“ suchen sich nur ihr Geld. Um Probleme zu stemmen, sind andere da.

Die Spaltung zwischen „Denen da oben“ und „Denen da unten“ wuchs durch Merkels Politik und hat schließlich aus Frust die rechtspopulistische neoliberale AfD – die Fleisch vom Fleische frustrierter CDU/CSU, FDP und rechter SPD-Wählern sind – aufs Deck gespült, ohne dass die auch nur irgendein Problem lösen wollte und könnte. Das diese Entscheidung mancher Wähler uns um Jahre zurückwerfen wird, werden wir noch zu spüren bekommen. Da wächst was auseinander. (Hans-Dieter Hey)

 

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