Irre: Eine Satire, Armin Laschets Roll-Back und Tom Buhrows volle Hosen

Im Jahr 1919 meinte der berühmte deutsche Satiriker, Journalist und Demokrat Kurt Tucholsky, dass Satire alles dürfe. Gewissermaßen als Schutz vor staatlicher Verfolgung und vor Klagesüchtigen. Heute ist es geltendes Recht. Noch 1934 musste er vor den Nazis fliehen. Seit Jan Böhmermann wissen wir, dass in Deutschland Satire angegriffen werden kann. Und nun geriet der WDR-Kinderchor mit seinem Lied „Meine Oma ist ne alte Umweltsau“ ins Visier. Inhalt zum Beispiel: „Meine Oma brät sich jeden Tag ein Kotelett, ein Kotelett, ein Kotelett, weil Discounterfleisch so gut wie gar nix kostet. Meine Oma ist ne alte Umweltsau.“ Die Musik dazu: „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“. Kindersatire eben.

Und Böhmermann twittert: „Wer sich jeden Tag billiges Discounterfleisch aufbrät, ist eine Umweltsau.“ Das Lied wurde am 27. Dezember vom WDR veröffentlicht und erntete seit dem einen unglaublichen Shitstorm im Netz, vor allem von der hasserprobten rechten Szene. Rechts gibt vor, die Oma retten und die GEZ-Gebühren abschaffen zu wollen. Deshalb diese ganze Welle! Ob die Oma gerade von Rechtspopulisten gerettet werden will, ist durchaus fraglich. Morddrohungen gingen im WDR ein. Der Deutsche Journalistenverband fordert daraufhin den Schutz der Satire. Doch der Irrsinn nimmt ungebremst seinen Gang. Dabei geht allerdings der wahre Hintergrund verloren. Lächerlich ist das Ganze trotzdem nicht, höchstens irre. Mehr weiter unten!

Armin Laschet befeuert Shitstorm

Die Stimmung in den asozialen Netzwerken schaukelte sich hoch, die Rechten konnten sich freuen und erfolgreich für diesen Samstag vor dem WDR eine Demonstration mobilisieren. Jedenfalls mit ca. 25 Teilnehmern. Nach einer Presseerklärung von „Köln gegen Rechts“ hatte das Umfeld der „Bruderschaft Deutschland“, Identitären-nahen Gruppen, rechte Kreise der AfD und Nazi-Hooligans dazu aufgerufen. Mehrere Organisationen riefen zu Gegendemonstrationen gegen den rechten Mob auf.

Armin Laschet, NRW-Ministerpräsident, twitterte gleich achtmal in den asozialen Netzwerken. Zwecks öffentlicher Wirksamkeit hatte er sich schon vor kurzem erblödet, bei einem Krimi-Tatort mitzuwirken. Hat der Mann denn nichts Besseres zu tun, kann man fragen? Der „berechtigten Kritik“ an der Satire sei einerseits – so Laschet – „Missbrauch durch rechte Netzwerke gefolgt“, doch mit dem Lied seien auch „die „Grenzen des Stils und des Respekts gegenüber Älteren überschritten“.  Denn schließlich gehöre es zu unserer Kultur, Respekt vor den Älteren zu haben. Damit biederte er sich unverholen der bürgerlichen rechten Mitte an. Von fast allen Medien inklusive Gast-Beitrag in Springer-Presse und Zeit wird er nahezu kritiklos zitiert. Und treibt damit die Gegensätze auf die Spitze. Aber kann jemand, der so spaltet, Kanzlerkandidat und Träger eine zukunftsweisenden Politik werden? Denn wie hält er es mit dem Respekt der Älteren vor der Zukunft ihrer Kinder? Da übt Laschet Zurückhaltung. Und ein bisschen macht er den Erdogan: Satire ja, aber…

Laschets Roll-Back-Träume

Allzu durchschaubar wünscht er sich eine „Renaissance unserer Debattenkultur“. Klar ist: Für die Jugend von heute geht es um alles. Wie so oft hat man den Ruf gehört: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut.“ Aufgrund der vielen Enttäuschungen wird Hilfe von der Politik kaum noch erwartet. Ja, es ist ein Generationenkonflikt, weil diese jungen Leute nicht die Verantwortung für unsere Wirtschaftsweise tragen, die ihre Zukunft möglicher Weise ruiniert. Sie haben diesen Konflikt auch nicht zu verantworten. Denn vor allem die Älteren wollen Lebensweise und Privilegien nicht ändern. Die Verkaufssteigerung von SUV-Fahrzeugen zeigen das drastisch. Die Jugend hat das Recht, sich zur Wehr zu setzten, zum Beispiel gegen die völlig unzureichende Klimapolitik von Angela Merkel. Vielleicht will Armin Laschet deshalb eine andere Debattenkultur, meint aber in Wirklichkeit den Roll-Back in der Klimadebatte. Daher seine Angriffe auf die Kids und den WDR. Mit seiner Braunkohlepolitik hat er sich jedenfalls keinen guten Ruf für einen zukunftsweisenden Entwurf erworben.

Tom Buhrows volle Hosen

Von Rechts, von Links und von Laschet und anderen aus der CDU angegriffen und mit vollen Hosen äußert sich der gebührenfinanzierte WDR-Intendant Tom Buhrow gegenüber Laschet: „Das ist doch lächerlich. Dem schließe ich mich überhaupt nicht an.“ Das Wort „Umweltsau“ sei aber unpassend. „Das war nicht so gemeint, ist aber so aufgefasst worden. Der Fehler liegt bei uns, dafür entschuldige ich mich.“ Also auch Satire-Kritik vom Radio- und Fernsehchef? Von links wird ihm daraufhin zu Recht vorgeworfen, vor dem rechten Shitstorm eingeknickt zu sein. Aber vielleicht ist der öffentlich-rechtliche Tom Buhrow ja auch vor NRW-Ministerpräsident Laschet eingeknickt? Seinen Redakteuren fällt er mit seinem Verhalten zusätzlich noch in den Rücken, wird von der Redakteursvertretung beklagt.

Wo leben wir also, wenn Kritik – auch wenn sie bissig daherkommt – nicht einmal mehr durch Satire möglich ist und politisch mundtot gemacht wird? Kurt Tucholsky meinte 1919: „Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an. Die Satire eines charaktervollen Künstlers, der um des Guten willen kämpft, verdient also nicht diese bürgerliche Nichtachtung und das empörte Fauchen, mit dem hierzulande diese Kunst abgetan wird. Vor allem macht der Deutsche einen Fehler: er verwechselt das Dargestellte mit dem Darstellenden.“ Solch passender Klarheit muss man nichts hinzufügen.

Die jungen Menschen haben allemal das Recht, noch ganz eindrucksvollere Proteste gegen rechte Klimaleugner, vermeintliche Oma-Retter und politische Zukunftsverhinderer auf die Straße zu tragen. So wie an diesem Samstag in Köln. Aufgeklärte „Omas gegen Rechts“ waren übrigens auch dabei und stellten sich mit hunderten Demonstranten gegen ein klägliches Häuflein rechter Populisten und Rassisten. (04.01.2019 Hans-Dieter Hey, Fotos: Udo Slawiczek und Hans-Dieter Hey)

Zum Alltagsrassismus hier eine Arbeit von Alina Bergner.

Eine Rede der Parents for future hier!

Und um diesen Liedertext geht‘s:

„Meine Oma ist ne alte Umweltsau“

Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad, Motorrad, Motorrad. Das sind 1000 Liter Super jeden Monat. Meine Oma ist ne alte Umweltsau!
Meine Oma sagt Motorradfahren ist voll cool, echt voll cool, echt voll cool. Sie benutzt das Ding im Altersheim als Rollstuhl, meine Oma ist ne alte Umweltsau.
Meine Oma fährt im SUV beim Arzt vor, beim Arzt vor, beim Arzt vor. Sie überfährt dabei zwei Opis mit Rollator, meine Oma ist ne alte Umweltsau.
Meine Oma brät sich jeden Tag ein Kotelett, ein Kotelett, ein Kotelett. Weil Discounterfleisch so gut wie gar nichts kostet, meine Oma ist ne alte Umweltsau.
Meine Oma fliegt nicht mehr, sie ist geläutert, geläutert, geläutert. Stattdessen macht sie jetzt zehnmal im Jahr ne Kreuzfahrt, meine Oma ist doch keine Umweltsau.
Danach ein Audiozitat von Greta Thunberg: „We will not let you get away with this“ („Wir werden euch damit nicht davonkommen lassen!“)

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