Ich bin ein Opfer der Friedenssehnsucht, es folgen noch mehrere…

Heute, am 3. August, gedachten Friedensaktivistinnen und -aktivisten des Kölner Friedensforums und der VVN/BdA auf Einladung der 12. Öffentlichen Internationalen Fastenaktion der Ermordung von Max Reichpietsch und Albin Köbis am 5. September 1917 in Köln-Wahn durch die deutsche Militärjustiz. Die Hinrichtung war völlig willkürlich, weil dafür kein Rechtsgrund vorlag, denn bei Reichpietsch und Köbis – beide damals Mitglieder der USPD – ging die Militärjustiz von Rädelsführerschaft und gemeinsamer Aufwiegelung aus, was nach heutigen Erkenntnissen zumindest umstritten ist. Die Gründe ihres Protestes waren andere: „Sie wurden wie Sklaven schikaniert. Sie führten Streiks durch gegen die Hungerrationen und das oft völlig verdorbene Essen, bei gleichzeitigem Festschmaus für die Offiziere“, schreibt Günter Baumann in seiner Rede bereits 2017. Die Sache hat mehr mit heute zu tun, als man denkt. Weiter hier!

 

…kein belastbarer Beweis…

In einer Ansprache von Kapitänleutnant Tanja Merkl aus dem Jahr 2018 heißt es: „Die Treffen zwischen Köbis und Reichpietsch und Angehörigen der USPD Führung, das Sammeln von Unterschriften und der Austausch von politischem Werbematerial, ist kein belastbarer Beweis für eine parteipolitisch bestimmte Aufstandsbewegung.“ Und weiter: „Es ist festzuhalten, dass das Aufstandsbegehren von Köbis und Reichpietsch keine lang geplante, gut durchorganisierte Struktur besaß. Sie waren weder politisch geschult noch im Halten von Reden erfahren. Bis zu ihren Festnahmen im August 1917 waren ihre Handlungen eher spontane Reaktionen als vorbereitete Aktionen.“ Nach heutigem Recht gäbe es für derartige Meuterei und Gehorsamsverweigerung – wenn überhaupt – 3-5 Jahre Haft.

Die Toten kommen nicht zur Ruhe

Die Toten kommen nicht zur Ruhe. Im Jahr 2017 kommt der Deutsche Bundestag in einer Veröffentlichung des wissenschaftlichen Dienstes, Nr. 7 – 3000 – 116/17, zu der Erkenntnis, eine Wiederaufnahme der Verfahren Köbis und Reichpietsch sei kein „geeignetes Instrument zur nachträglichen Korrektur von Verurteilungen, die aufgrund eines zwischenzeitlichen Wandels der Rechtsanschauungen oder der Gesetzeslage heute nicht mehr erfolgen könnten“.

Das ist deshalb beachtlich, weil man sich unwillkürlich an den Satz von Hans Filbinger vom 15. Mai 1978 erinnert: „Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein“. Wegen dieses Satzes zur Unrechtsjustiz des Hitlerfaschismus musste er am 7. August 1978 als baden-württembergischer Ministerpräsident zurücktreten. Der Vorwurf lautete, er habe als NS-Marinerichter noch im März 1945 an Todesurteilen mitgewirkt und für ihre Durchführung gesorgt.

Im Westen nichts Neues

Die Toten, die nicht zur Ruhe kommen, mahnen uns angesichts des gegenwärtigen, weltweiten Säbelrasselns und vor allem der deutschen Hochrüstung mit den letzten Worten von Albin Köbis: „Ich sterbe zwar nicht gern so jung, aber ich sterbe mit einem Fluch auf den deutschen Militärstaat“.

Vom 25. Juli bis zum 9. August 2021 findet vor der Einfahrt zum Luftwaffenamt die 12. internationale öffentliche Fastenaktion des internationalen Versöhnungsbundes statt. „Solange die Atomwaffen immer noch in Deutschland lagern wird jedes Jahr ein Tag länger gefastet“ heißt es in der Ankündigung. Die internationale Fastenaktion begann 2010, immer an jedem 5. August und endet am Nagasaki-Gedenktag, dem 9. August. (03.07.2021, Hans-Dieter Hey)

Ergänzung am 11.08.2021.

Die Gedenkveranstaltung ging mit freundlicher Begleitung der Bundeswehr von statten. Ganz entgegen kommend war, dass vor dem einbrechenden Regen Bundeswehrfahrzeuge für den Rücktransport zur Verfügung gestellt wurden. Dagegen überflüssig waren die bewaffneten Militärpolizisten, denn von den 23 meist älteren Menschen der Gedenkfeier ging sicher keine Gefahr aus. Der Besuch der Gräber (auf städtischem Gelände!) nur mit Erlaubnis der Bundeswehr wird damit begründet, dass die Militärgeschichtsschreibung die „politischen Motive der Matrosen sowie die Vorgänge des Jahres 1917“ (Wikipedia) noch nicht geklärt habe. Wie bitte? Wo kommen wir denn in diesem Lande hin, wenn die Militärgeschichtsschreibung die Geschichte diktiert und Zutritt zu Gedenk- und Grabstätten zulässt oder verweigern könnte? Hier gibt es längst überfälligen Handlungsbedarf der Stadt Köln. Im Grunde ist es ein Skandal, dass dieser Zugang durch die Stadt nicht längst geöffnet wurde, denn in direkter Nähe befinden sich eine öffentliche Straße und private Wohnhäuser. Offenbar fehlt es an politischem Willen, weil die Ehrung durch Justizmord getöteter nicht erwünscht ist. Es ist unfassbar, dass bis 2007 sogar das Halten von Gedenkreden untersagt war. (Hans-Dieter Hey)

Ansprache von Beate Engelke zur Ermordung von Reichpietsch und Köbis vom 03.08.2021

Rede von Günter Baumann aus dem Jahr 2017

Die letzten Briefe von Reichpietsch und Köbis

Klaus der Geiger mit „Drückeberger“

4 Gedanken zu „Ich bin ein Opfer der Friedenssehnsucht, es folgen noch mehrere…“

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