Köln: Flüchtlingstag 2015 im Allerweltshaus

Der Weltflüchtlingstag 2015 stand unter dem Motto „Flüchtlinge sind Menschen wie Du und ich, die schwierige Zeiten erleben.“ Und der Weltflüchtlingskommissar der UNO, António Guterres, erläutert: „Überall auf der Welt fliehen Familien vor Gewalt. Die Zahlen sind gewaltig, aber wir dürfen nicht vergessen, dass diese Menschen Mütter und Väter, Töchter und Söhne sind, Menschen wie Du und ich – bevor der Krieg sie zur Flucht gezwungen hat. Am Weltflüchtlingstag sollten sich alle daran erinnern, was uns verbindet: unsere gemeinsame Menschlichkeit.“

Ein Beitrag zu dieser Menschlichkeit kam vom Kölner Allerweltshaus mit einem „Tag des Kontaktes“ zwischen Ehrenamtlichen und Flüchtlingen. Bereits 2013 gab es den Tag des „Goldenen Kochlöffel“ und 2014 den „Tag des guten Essens“, um Flüchtlingen einen schönen Tag zu bereiten. Der als engagiert geltende Bezirksbürgermeister Josef Wirges würdigte die Arbeit des Allerweltshauses für die Flüchtlinge in Köln und sicherte den Engagierten und dem Haus weiter seine Unterstützung zu.

Gleichzeitig geißelte er die verkappte und latente Fremdenfeindlichkeit in Köln, der Stadt die allgemein als weltoffen gilt und viele Gäste aus dem Ausland beherbergt. Fremdenfeindlichkeit kann sich hier leicht negativ auswirken. Es ginge nämlich nicht an, dass sich in dieser Stadt ein farbiger Bürger nicht mehr traut, in der Straßenbahn zu fahren, so Wirges. Am „Tag des Kontaktes“ beteiligten sich der „Kölner Appell gegen Rassismus“, „Bürger für Obdachlose“, „Phönix“, das Wohnungsamt, „#türauf“, der „Rom e.V.“ und das Deutsche Rote Kreuz.

Deutschland im Boot der Fluchtverursacher

Kommen wir auf die Fluchtursachen der „Menschen, die in schwierigen Zeiten leben“ zurück. „Weltweit sind Millionen Menschen auf der Flucht, darunter 20 bis 30 Millionen Binnenvertriebene. Regionale Kriege und Bürgerkriege, Natur-Katastrophen und Umweltschäden, Armut und Unterentwicklung, Unsicherheit und Menschenrechtsverletzungen zählen zu den Flucht-Ursachen“ hieß es in der Veranstaltung „Europa: Integration – Menschenrecht oder Gnadenakt?“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW. Die Referentin Bosiljka Schedlich stammt aus Ex-Jugoslawien. Sie schilderte nachdrücklich, dass in den Länderen des ehemaligen Jugoslawien insbesondere Roma „nach wie vor vor starker Diskriminierung und Rassismus ausgesetzt sind.“ Trotzdem fänden in Deutschland sogenannte „Rückführungen“ nach dort in Slums und in menschenunwürdige Bedingungen statt. Viele leben chancenlos auf Müllhalden.

Die deutsche Politik trägt dafür eine Mitverantwortung, weil sie sich am Zusammenbruch Jogoslawiens und an seiner Bombardierung durch die Nato 1999 beteiligt hat. Auf der Webseite „Alle bleiben“ heißt es: „Die NATO(S)OTAN hat nie die Verantwortung für die Zerstörungen übernommen, die sie durch die Bombardierung und die darauf folgenden Vertreibungen verursacht hat. Noch immer sind Roma in vielen Ländern stark diskriminiert, auch im Kosovo. Eine Abschiebung bedeutet für geduldete Roma eine weitere Vertreibung. Sie finden nichts als ein Leben in Angst und elenden Bedingungen.“

Westliche „Wertegemeinschaft“ versagt

Und in einem weiteren Punkt ist Europa mitverantwortlich. Im Jahr 2011 bombardierten die Natoländer Frankreich, England und USA Libyen und feierten die Ermordung des Diktators Muhammar al-Gaddafi als Erfolg. Der eigentliche Grund war aber wohl, dass nur noch Libyen, Iran und Syrien die Palästinenser unterstützten. Wegen dieser verheerenden Politik des Westens ertranken im Jahr 2013 die ersten 300 Flüchtlinge aus Libyien im Mittelmeer.

Auch der Nahost-Experte Michael Lüders sieht die Ursachen in der Politik der westlichen „Wertegemeinschaft“ verortet, wenn es um Flüchtlinge aus Syrien oder Irak geht: „Der Islamische Staat ist ein Ergebnis westlicher militärischer Eingriffe.“ Die neuen „politischen Eliten wirtschaften in erster Linie in die eigene Tasche. Alle diese Herrscher sind nicht nur unfähig, sondern zutiefst korrupt.“ In Verbindung mit einer ungerechten Sozialordnung sei der Nährboden für radikale Bewegungen geschaffen worden. (Augsburger Allgemeine v. 21.4.2015) Gleichzeitig warnt Lüders davor, den Iran weiter zu destabilisieren. Er sei der einzige noch einigermaßen funktionierende Staat östlich in der Nähe des Mittelmeers. Ein Lösung könne nur mit Iran und Russland gefunden werden. „Die Flüchtlingsfrage wird uns weiter begleiten“, so Lüders. Und dies ginge nur durch ökonomische Stärkung und nicht durch Sanktionen. Lüders warnt vor noch größeren Flüchtlingsströmen.

Die Heinrich-Böll-Stiftung weist mit einem Beispiel noch auf weitere Fluchtursachen hin. „Wegen Überfischung und Landgrabbing sehen immer mehr Menschen im Senegal keine Perspektive mehr und nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand.“ Der Geflügelmarkt in Ghana brach durch ein EU-Freihandelsabkommen zusammen, dass das Land mit billigen Massenexporten überschwemmt. Es kam zustande durch die Erpressung der Einstellung von Hilfsleistungen. Auch das erzeugt Flüchtlinge. Europa, Deutschland und Köln müssen deutlicher als bisher Verantwortung in der Flüchtlingsfrage übernehmen und sich im Klaren sein, dass die westliche Politik der Zerstörung Fluchtursachen erst geschaffen haben. (Hans-Dieter Hey)

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