Variablen setzten Beginn
Beobachtern zufolge haben bis zu 40.000 Menschen gegen Wohnungsnot und steigende Mieten am 6. April in Berlin protestiert. Ein Bündnis aus rund 100 Mieterinitiativen, Verbänden und Vereinen hatte unter „Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“ dazu aufgerufen. Nach Auskunft von Zeugen gab es nach einer Besetzung in Kreuzberg Zusammenstöße mit der Polizei. Parallel dazu rief eine Unterschriftenaktion zur Enteignung von „Deutsche Wohnen“ nach Artikel 15 Grundgesetz auf.
Profitgier geht vor sozialer Verantwortung
Die Ursachen für die Wohnungsnot sind vielfältig. Insbesondere aber wird die Profitgier der privaten Wohnungsunternehmen für horrende Mieten und Vertreibung verantwortlich gemacht. Der Jahresgewinn des größten Wohnungskonzerns Vonovia stieg im vergangenen Jahr um 20 Prozent und überstieg die Milliardenmarke – die „Miethaie haben Blut geleckt“ heißt es in „Perspektive 25“. Nach Luxussanierungen und nachfolgenden Vertreibungen können die Preissteigerungen gut 30 Prozent betragen. Dabei hat sich die sogenannte Mietpreisbremse als politischer Nebelkerzenwurf herausgestellt. Und um all das durchzusetzen, bemühen die privaten Wohnungskonzerne bei Zwangsräumungen gern die Polizei.
Wohnungspolitik braucht neue Wege
Ganz sicher ist, dass Bund, Land und Kommunen sich nach ihrer völlig verfehlten Wohnungspolitik langsam für einschneidende Maßnahmen entscheiden müssen, insbesondere „Heimatminister“ Horst Seehofer. Grünen-Chef Robert Habeck hält Enteignungen als ultima ratio für möglich. DIE.LINKE ist mehrheitlich ohnehin dafür. Nur Andrea Nahles (SPD) glaubt, dass dadurch keine neue Wohnungen geschaffen würden (SZ v. 6.4.). Der Rückkauf kostet eben Milliarden – Schuldenbremse hin – Schuldenbremse her. In Berlin gibt es Schätzungen enormer Spannweite – inclusive Folgenebenkosten. Gut, dann kostet es eben Milliarden und es muss ja nicht der aktuelle Marktpreis zugrunde gelegt werden. Das Allgemeineigentum wäre dann aber für die Zukunft nützlich angelegt. Vielleicht werden so auch kaum neue Wohnungen geschaffen, aber ganz sicher werden horrende Mietexplosion und Vertreibung vermieden. Die SPD ist eben dafür bekannt, dass in letzter Konsequenz immer inkonsequent bleibt.
Angemessenes Wohnen ist Menschenrecht
Die Diskussion um Überführung in Gemeineigentum ist im vollen Gange. Die Artikel 14 und 15 im Grundgesetz lassen das auch zu. Artikel, die übrigens die CDU vor 70 Jahren mit unterzeichnet hat. Danach können Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel in Gemeineigentum überführt werden. Zudem gibt es das Menschenrecht auf angemessenes Wohnen nach Artikel 25 (1) der AEMR (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte) und Artikel 11 (1) des UN-Sozialpakts.
Von der Überführung in Gemeinwohl könnten in Berlin ca. 240.000 Wohnungen betroffen sein, allen voran die Deutsche Wohnen mit in etwa 112.000 Wohnungen. Vielfach handelt es sich um Grundstücke, die – wie so oft in anderen Städten auch – an private Investoren verscherbelt wurden. So rächt sich nun die verfehlte Wohnungspolitik.
Die Initiatoren sind voller Zuversicht, dass sie genügend Stimmen für den Volksentscheid zusammen bekommen. In der 2. Stufe des Volksbegehrens sind 170.000 Unterschriften notwendig. Der Vorgang ist in der „BRD“ allerdings einmalig und könnte Geschichte schreiben. (Hans-Dieter Hey, Fotos: Rudi Denner)
Ergänzung:
Wenngleich die Wohnungsnot heute mit der um die 1870er Jahre nicht vergleichbar ist, hier ein interessanter historische Text zum Nachlesen!
8 Gedanken zu „Berlin fordert Enteignungen gegen die Wohnungsnot“
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