ZUE: Mahnwache gegen Abschiebungen


Variablen setzten Beginn

Münster. Am Dienstagmorgen, den 10. November 2020 demonstrierten circa 40 Personen gegen Abschiebungen aus der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes NRW in Münster-Gremmendorf. Das Bündnis gegen Abschiebungen hatte dazu eingeladen. Auch Geflüchtete aus der ZUE stießen später dazu.

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Der ungewöhnliche Zeitpunkt der Kundgebung um 10.00 Uhr morgens an einem Werktag war bewusst gewählt. Denn die Abschiebebehörden sind dazu übergegangen, die von Abschiebung bedrohten Geflüchteten aus der Schlange vor der Taschengeldausgabe herauszuziehen. Und eine solche Taschengeldausgabe war an diesem Dienstagmorgen. Nur dort könnten sie wohl der Menschen habhaft werden. So stießen nach und nach immer mehr Geflüchtete zur Kundgebung dazu.

Das Bündnis kritisierte in seinem Aufruf, der auch auf der Kundgebung verlesen wurde, die erneuten Abschiebungen unter Corona-Bedingungen. „Im Zuge des ersten Lockdowns [sind] die Unterbringungseinrichtungen für Geflüchtete konsequent abgeriegelt“ worden, nun aber nach Ende des Lockdowns im Juni würden Geflüchtete wieder konsequent abgeschoben. „Diese Abschiebungen finden aufgrund der zunehmenden Konzentrierung von Geflüchteten in Sammelunterkünften, wie hier in Münster in der ZUE, unter Ausschluss der Öffentlichkeit und mit steigender Frequenz statt“, so das Bündnis. „Es entsteht der Eindruck, dass in den letzten Wochen vor der Verkündung des zweiten Lockdowns nochmals möglichst viele Menschen aus dem Lager in Münster abgeschoben werden sollten. Besonders hohe Polizeipräsenz und viele Abschiebungen gab es während den Leistungsausgaben, auf die alle Menschen im Lager angewiesen sind. Einige Personen wurden bis zu ihrer Abschiebung zunächst in Abschiebehaft genommen.“

Das Karussell der Entrechtung und des Schreckens dreht sich weiter

Im Redebeitrag kritisierte die Gruppe Bürger*innenasyl Münster, dass sich „das Karussell der Entrechtung und des Schreckens“ weiterdrehe. „Diesmal auch während des zweiten Lockdowns. „Mit ihrer aktuellen Abschiebepraxis sät die Zentrale Ausländerbehörde Angst, Perspektivlosigkeit und (Re-)Traumatisierung bei den von Abschiebung Betroffenen“, so das Bündnis.

Und die Gruppe berichtete davon, dass inzwischen eine Person im Raum Münster im Bürger*innenasyl sei. Diese Person sollte in die Perspektivlosigkeit nach Griechenland abgeschoben werden. Zunächst war er in einer anderen ZUE in NRW untergebracht. Nach drei Abschiebeversuchen verbrachte er einige Tage auf der Straße in verschiedenen Orten in NRW. Seit wenigen Tagen befindet er sind nun in einem Bürger*innenasyl. Und er freue sich ungemein: „Since 6 years I am in Europe now, but this never happened to me before: Sleeping at someone’s private room.“

Und die Gruppe zitiert ihn weiter:

Es begann, als ich meinen letzten Ablehnungsbescheid bekam. Mein Anwalt schrieb mir, dass ich aus Deutschland deportiert werden würde. Während dieser Abschiebeversuche um vier Uhr morgens stürmte eine Polizeieinheit die Einrichtung, in der ich lebte, und verhaftete einen Syrer. Die Einheit bestand aus vier Einsatzwagen und vielen schwerbewaffneten Polizist*innen. Sie schoben ihn gewaltvoll ohne Ankündigung ab. Ohne sein vorheriges Wissen. Von da an hatte ich beschlossen, dass ich so nicht abgeschoben werden will. Ich hatte ja gesehen, wie der junge Syrer behandelt und abgeschoben worden ist – behandelt wie ein Krimineller! In Handschellen und im Gefängniswagen!

Ich verabredete mich mit meinem Freund, dass wir die Räume tauschen. Er schlief in meinem Raum und ich in seinem.

Und wirklich, nach drei Tagen kam eine Polizeieinheit zum Flüchtlingsheim und suchte mich in meinem Raum mit Hilfe der Security. Sie fanden aber meinen Freund. Sie fragten nach seinen Papieren, um zu kontrollieren, ob er nicht ich sei. Erst nachdem auch die Leitung der ZUE seine Identität bestätigt hatte, ließen sie von ihm ab. Währenddessen floh ich in einen nahegelegenen Wald – bis zum Sonnenaufgang.

Nach dieser Erfahrung wollte mein Freund das nicht noch einmal mitmachen. Die Angst war zu groß. Diese Erfahrung wollte er nicht noch einmal durchmachen.

Acht Tage später wiederholte sich die Sache. Eine noch größere Polizeieinheit durchsuchte meinen Schlafplatz. Zur Überraschung kam die Einheit sogar mit zwei Hunden. Ich sah sie aus mehreren Metern Entfernung und schaffte es zu fliehen. Ich versteckte mich im Raum meines Freundes.

Das größte Problem ist, dass die Polizei durch die Heimleitung weiß, wer im Heim anwesend ist und wer nicht. Denn beim Betreten und Verlassen des Heims, beim Essenfasen und bei der Ausgabe des Taschengeldes werden unsere Namen kontrolliert.

Beim dritten und letzten Mal wurde mein Raum nicht von der üblichen Polizei durchsucht. Diesmal kamen zivile Beamte mit zivilen Autos in Begleitung von drei oder vier Polizeiautos. Diesmal wurde auch das Haus abgeriegelt und alle darin lebenden Asylbewerber wurden kontrolliert.

Ich hatte Glück. Ich war außerhalb des Gebäudes. Mein Freund berichtete mir, dass sie auch den Nachbarraum von meinem Raum durchsucht haben und dann meine Sachen mitgenommen haben. Der Raum wurde verriegelt.

Es war so, als ob sie einen Kriminellen oder Feind suchen würden. Sie waren mit Kampfausrüstung bewaffnet. So, als würden sie in den Kampf ziehen wollen.

Dabei kam ich doch nicht nach Deutschland, um zu sehen, mit welchem Aufwand man Asylbewerber unterdrücken kann, die eigentlich um Schutz gebeten haben.

Entschuldigt, wenn meine Geschichte so lang ist. Entschuldigt, aber dieser Abschnitt meiner Geschichte zog sich über Stunden hin, an mehreren Tagen. Du kannst Dir nicht vorstellen, wie nervös Du sein kannst, wenn Du denkst, dass Du jede Minute, jede Stunde gefasst werden kannst. Du kannst nicht in deinem Bett schlafen. Du kannst nicht dein eigenes Essen essen, ohne Angst, dass die Polizei den Essensraum stürmt und dich verhaftet.

Das ist doch genauso wie in unserem Land aus dem wir geflohen sind, um unser eigenes Leben zu beschützen!

So weit der Bericht des Geflüchteten, der nun im Bürger*innenasyl Zuflucht gefunden hat.

Das Bürger*innenasyl ist eine Praxis des zivilen Ungehorsams. Es soll Geflüchtete, die von Abschiebung bedroht sind, schützen. So nehmen Menschen hier in Münster von Abschiebung bedrohte Geflüchtete bei sich auf und deklarieren öffentlich, dass sie diesen Regelübertritt aus humanitären Gründen tun. „Denn was nicht legal ist kann dennoch legitim, also geboten sein angesichts der Abschiebemaschinerie“, so die Gruppe. Damit werde Solidarität im doppelten Sinne konkret: In der Unterstützung von illegalisierten Menschen ohne Zugang zum Gesundheitssystem, Arbeit und Bildung in den praktischen Dingen des Alltags und in der politischen Sichtbarmachung und Kritik der behördengemachten rassistischen Menschenverachtung.

Nach dem Verlesen des Berichts des Geflüchteten machte die Gruppe noch einmal deutlich, dass ein Bürger*innenasyl nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“ sein kann. „Das Bürger*innenasyl ist gerade jetzt in Zeiten der Krise bitter nötig. Hierfür braucht es konkrete Unterkünfte. Es braucht aber auch die Rückendeckung für diese Praxis in der Öffentlichkeit“, so die Gruppe Bürger*innenasyl Münster. Und weiter: „Lasst uns zusammen mutig sein! Lasst uns Bürger*innenasyle auf die Beine stellen!“

„Niemand hat gewählt Afrikaner zu sein. Niemand hat doch gewählt Deutscher zu sein“

Im Anschluss berichteten Geflüchtete aus der Münsteraner ZUE über die Zustände. Gerade unter Corona seien die Begebenheiten unzumutbar. Es könnten keine Abstände eingehalten werden, man lebe auf engem Raum. Man werde zwar täglich mit Thermometern getestet, aber die andere Zeit lebe man so, als „gäbe es kein Corona“, so einer der beiden Geflüchteten, die geredet haben. Ebenso seien sie oft von racial profiling betroffen: „Ich habe doch nicht gewählt Angolaner zu sein, niemand hat gewählt Afrikaner zu sein. Okay. Aber ich bin Afrikaner. Niemand hat doch gewählt Deutscher zu sein“, so der zweite der beiden Geflüchteten, die geredet haben, „Die Polizei hat uns zu kontrollieren, ja, aber sie hat uns nicht zu schlagen!“. Warum nicht gleiche Rechte für alle?

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