Radler-Traumstadt Kopenhagen

Kopenhagen gilt als das neue Musterbeispiel für fahrradgerecht organisierten Verkehr und hat damit diverse niederländische Metropolen im Image überholt, von deutschen Inseln wie Münster und Karlsruhe ganz zu schweigen. Was die Dänen besser machen, wollte ich mir an Ort und Stelle ansehen. 

Fährt man per Bahn nach Kopenhagen und verlässt den Hauptbahnhof über den Ostausgang, können die Verkehrsgeräusche zunächst von schrillem und panischen Geschrei überlagert werden. Das ist kein Grund zur Beunruhigung: gleich gegenüber liegt der Tivoli, ein Vergnügungspark mit teilweise wilden Fahrgeschäften, die schon beim Anblick von außen an die letzte Mahlzeit erinnern lassen.

Der Verkehr dagegen ist, wie versprochen, gesittet und ordentlich organisiert. 3 Meter breite Radwege und 4 Meter breite Fußgängerwege für beide Fahrtrichtungen sorgen für eine klare Trennung und geben sogleich ein Gefühl der Sicherheit. Eigene Ampeln für Auto- und Radfahrer. Die Radwege fast durchweg asphaltiert und in gutem Zustand. Zebrastreifen für die Fußgänger auch auf den Radwegen.

Durchstreift man die Stadt auf dem Rad, bestätigt sich der erste positive Eindruck. Es gibt Straßen nur für die Radler durch die Innenstadt und zahlreiche Brücken für Radler und Fußgänger. Auch im Berufsverkehr, zu dem tausende die Radwege bevölkern, geht es entspannt zu. Die Wegbreite lässt drei- bis vierspuriges Fahren zu, so dass langsamere Radler sich nicht verunsichert und als Verkehrshindernis fühlen müssen. Auch für die hier öfter zu sehenden Lastenräder, ortsnah in einer Manufaktur hier in der Freistadt Christiania produziert, wird es nicht zu eng.

Vor einigen Kreuzungen und Einmündungen müssen sich die Radler ihren Weg dann aber ein Stück mit rechts abbiegenden Autos teilen. Die Radler haben aber Vorrang, und es geht auch hierbei entspannt und gesittet zu.

Auf mehrspurigen Straßen haben Linienbusse eine eigene Spur. Straßenbahnen gibt es nicht. Aber U- und S-Bahnen. Das S-Bahn-Zeichen ist hier rot.

Außerdem gibt es auf den Kanälen zwischen den Ortsteilen noch ein Wasserbussystem.

Auch die hier schon länger im Gebrauch stehenden E-Roller scheinen sich in den Verkehrsfluss integriert zu haben. Mit inbegriffen, dass sie schon mal im Weg herum stehen.

Fahrradwegweiser zeigen mit weißer Schrift auf blauem Grund die Richtung, wie bei uns auf der Autobahn. Außer der Entfernung in Kilometern geben sie auch die ungefähre Fahrzeit an, gerechnet auf ein Tempo von etwa 20 km/h. Sie könnten allerdings etwas großzügiger an den Wegen aufgestellt sein, vor allem außerhalb der Stadt wird es schon einmal spärlich damit.

Auch die staatliche Bahn geizt mit Informationen. Im gesamten HBF hängt kein einziger Gesamtfahrplan aus. Nur an den Treppen zu den Bahnsteigen sind die von dort abfahrenden Züge der nächsten Stunde auf Bildschirmen aufgeführt. Die Fahrkartenautomaten versprechen zwar mehrsprachig detailliertere Auskunft, die dann aber doch nicht herauszubekommen ist – zumindest nicht bevor das Ticket gelöst ist. Will man nur allgemein eine Zugverbindung recherchieren, muss man sich in die wohl dadurch auch lange Schlange vor den Serviceschaltern einreihen.

Das Bahnpersonal allerdings erlebe ich als durchweg freundlich, umsichtig und zuvorkommend. Im Bahnhof erspart mir ein vorbeikommender Eisenbahner das Schlangestehen und sucht mir auf seinem Mobilphone die passende Verbindung heraus. Und auf der Rückfahrt nach Deutschland spricht mich die Schaffnerin dann von sich aus wegen einer fortschreitenden Verspätung an, durch die ich meinen Anschluss verpassen würde  – und und zeigt mir eine Alternativverbindung, die sie für mich und eine Mitreisende schon herausgesucht hat. Und damit klappt’s dann auch reibungslos und ohne Zeitverlust mit der Heimfahrt.

Udo Slawiczek

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