Noch ein Brückendrama am Rhein?


Variablen setzten Beginn

Im Norden von Köln macht seit Jahren das Desaster um die durch Überlastung heruntergekommene Leverkusener Rheinbrücke, einem Bestandteil der stark frequentierten A 1, bundesweit Schlagzeilen. Fehlgeschlagene Sanierungsversuche, Ärger um die durch den Neubau wieder ans Tageslicht getretene Giftmülldeponie am rechtsseitigen Ufer, Baustopp wegen Pfusch bei den in China fabrizierten Bauelementen, die übliche Kostenexplosion, unabsehbare Fertigstellung, alltägliche Staus, teure Lkw-Umleitungen, durch die es dann auf den anderen Rheinbrücken zu knirschen droht  (in Düsseldorf und Duisburg gelten zwei Brücken mittlerweile auch schon als Sanierungsfälle): man sollte meinen, in Sachen Schadensbegrenzung gäbe es in der Region genug zu tun.

Weit gefehlt. Denn nun bahnt sich im Süden der viertgrößten Stadt unserer Republik ein weiteres Verkehrsdrama an, von dem diesmal mehr als nur eine Brücke betroffen wäre.

Hier steht die Rodenkirchener Brücke, eine filigrane Stahlbau-Hängebrücke als Teil der A 4 für die West-Ost-Verbindung zwischen Aachen und Olpe sowie einem Abzweig Richtung Frankfurt (A 3). Erstmals eröffnet 1941, 1945 im Krieg zerstört, 1954 wiedererrichtet, 1994 um einen Zwillingsbau erweitert und im Gegensatz zu ihren nördlichen Schwestern noch recht gut in Schuss. Doch ihre Tage sind möglicherweise trotzdem gezählt.

Fortsetzung unten!

Denn das versteht man in diesem Land offenbar als Verkehrswende: zusätzlich zu der schon geplanten weiteren Autobahn-Rheinquerung 20 Kilometer südlich, zwischen den Chemiestandorten Wesseling und Lülsdorf, soll hier auch noch die A 4 von 6 auf 8 Spuren verbreitert und dazu die noch funktionsfähige Rodenkirchener Brücke abgerissen werden, um einer voluminöseren Nachfolgerin Platz zu machen. Und wieder wird dazu ein bisschen Wald abgeknabbert, diesmal ein Streifen des Äußeren Kölner Grüngürtels, in den 1920ern angelegt von einem visionären Oberbürgermeister namens Konrad Adenauer. Dazu natürlich ein Haufen Steuergeld in Asphalt und Beton gegossen. Also trotz Klimawandel nicht nur ein „weiter wie gehabt“, sondern noch mehr Straße in die Landschaft und in Folge noch mehr Autos in die Umwelt gedrückt. Rechnet man die parallel mit der A 4 durch den Wald verlaufende Landstraße dazu, den Militärring, werden es so dann stellenweise 12 Fahrspuren für den Autoverkehr.

Wer sagt eigentlich, dass diese Landschaftsfresserei wirklich notwendig ist? Nur wirtschaftshörige Politiker und Verkehrsplaner, die immer noch nicht begriffen haben, dass der Klimawandel andere Verkehrs- und Transportkonzepte überfällig macht? Oder aber die allmächtige Autoindustrie, die um Ihre Umsätze besorgt ist, wenn die Lust am Auto im Stau abhanden kommt? Womöglich könnten dann von den Gewinnen ja nicht mehr genug für Vorstandsboni, Lobbyverbände und Wahlkampfspenden abgezweigt werden.

Wie es um den Stellenwert der anderen Verkehrsmittel bestellt ist, sieht man aus nächster Nähe: Ein Stück weiter den Rhein abwärts verrottet die für den Eisenbahn-Güterverkehr wichtige Südbrücke seit Jahren immer mehr. Und der am Militärring verlaufende Radweg, stellenweise gerade 1,40 Meter schmal und trotzdem für beide Fahrtrichtungen benutzungspflichtig, ist ebenso lange schon eine voll von Schlaglöchern und Baumwurzeldellen verkommene Holperpiste!

Konkret losgehen mit diesem Projekt soll es erst in 8-10 Jahren. Und vielleicht sorgen die Corona-Staatshilfen für Lufthansa, Autoindustrie und sonstiger Bedürftiger dieser Art ja wenigstens dafür, dass sich die Finanzierung noch etwas weiter verzögert. Lässt hoffen, dass bis dahin mehr Vernunft in gewisse Büros einkehrt. Es kann aber nicht schaden, dem Denkprozess bis dahin auf angemessene Art nachzuhelfen.

Udo Slawiczek

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