Münster: „I can’t breathe!“

Am Samstag, den 6. Juni 2020, versammelten sich über 3.000 Menschen auf Münsters Schlossplatz, um dem ermordeten Afroamerikaner George Floyd und allen, die von rassistischer Gewalt betroffen sind, zu gedenken. Die Kundgebung begann mit einer exakt 8:46 Minuten langen Gedenkminute. Es war mucksmäuschenstill, alle hatten die rechte Faust, das Zeichen der Black-Lives-Matter-Bewegung nach oben gestreckt. Diese 8:46 Minuten hatte es gedauert, bis das Leben den Körper von George Floyd verlassen hat. So lange haben die Cops in Minnesota, die Mörder von George Floyd, nicht von ihm gelassen.

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„Die Manifestation an Hass, der Mord, den die ganze Welt in einem minutenlangen Beweisvideo verfolgt hat, passiert nicht aus dem Nichts heraus. Dass es ein brutales Video braucht, damit Menschen hinschauen und es glauben ist traurig. Ja, Rassismus ist immer noch da!“, so Silvia Nwadiuto Chike, Afrodeutsche mit deutschen und nigerianischen Wurzeln und Studentin der Rechtswissenschaften an der Universität Münster. Sie schätz sich aber glücklich: „Ich bin glücklich darüber, dass ich ein Umfeld habe, das auf mich aufpasst und Menschen, die die Belastung verstehen. Meistens weil sie auch an ihr zu tragen haben, aber einige auch aus aufrichtiger Solidarität heraus. Es gibt gute ‚Allies‘, Verbündete, die zuhören, laut sind, sich weiterbilden, andere konfrontieren.“ Es gäbe aber auch Bekannte – gerade in den letzten Wochen –, die ihr Nicht-Weiß-Sein ignorieren würden, denen eine Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus – und ihre eigene Rolle darin – unangenehm sei.

Deshalb fordert sie die Stille zu durchbrechen. Die Stille, die von Afrodeutschen so oft gefordert wird – auch von an sich solidarischen Menschen, „um ein System zu konservieren, das auf Hass beruht“. Sie habe genug von „unauthentischer Solidarität, von leeren Solidaritätsbekundungen, wenn’s grad passt“.

„Rassismus betrifft uns alle, auch wenn klar ist, wer profitiert, also informiert euch eigenständig über die Strukturen und Erfahrungen mit denen Menschen jeden Tag zu kämpfen haben. Steht auf, gerade in den Momenten, in denen es so viel angenehmer ist, sitzen zu bleiben!“, so so Silvia Nwadiuto Chike.

In weiteren Redebeiträgen wurde ebenso Joao Pedro Pinto, einem 14-jähriger schwarzen Teenager aus Brasilien gedacht, der während eines Einsatzes der Bundespolizei in einer Favela getötet wurde, und Oury Jalloh, der in Deutschland, Dessau, unter ungeklärten in Polizeigewahrsam umgekommen ist. Gutachten legen nahe, dass er gefesselt in seiner Zelle angezündet wurde.

In vielen Beiträgen wurden der strukturelle Rassismus und die Polizeigewalt in den USA und in Deutschland kritisiert. Es wurde dazu aufgerufen nicht nur zu demonstrieren, sondern auch im Alltag eigenen Rassismus zu hinterfragen und PoC aktiv gegen Rassismus zu unterstützen. „Es muss nicht danach gefragt werden, ob wir ein Problem haben, sondern wie wir uns dafür sensibilisieren können“ so eine Rednerin auf der Kundgebung. Und eine weitere Rednerin: „Es wird endlich Zeit, dass auch die weiße Mehrheitsgesellschaft gegen Rassismus aufsteht!“

Der Vertreter der Gruppe „Refugee Strike“ ergänzte, dass die Abschottungspolitik der EU, Racial Profiling und die deutsche Asylpolitik auf einem soliden rassistischen Fundament stehen würden und man seine Kräfte bündeln müsse, um dieses Fundament einzureißen.

Die Redebeiträge wurden ausschließlich von „people of color“ gehalten. Als von Rassismus Betroffene erzählten weitere Redner*innen vom Alltagsrassismus, dem sie ausgesetzt seien, und von den alltäglichen Erfahrungen mit Racial Profiling – auch in Münster. Abschließend: „Lasst uns das durchbrechen, hier in Münster und überall!“

Zum Ende der Kundgebung wurde noch einmal an George Floyd gedacht, in dem alle sich hinknieten und die Faust hoben.

Die Kundgebung wurde von Odak e.V. organisiert.

Silvia Nwadiuto Chike macht mit Carlos Carima in Zusammenarbeit mit dem AStA der Uni Münster den Antirassismus-Podcast „Raum & Stimme“: https://soundcloud.com/asta_ms/sets/raum-und-stimme.

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