Die Veranstalter, die Bürgerinitiative „Holt die Bücher aus dem Feuer“ schreiben zum 10. Mai 1933: „1933 haben Studenten eine Aktion „wider den undeutschen Geist“ gestartet. Auf dem Münsteraner Domplatz wurde ein Schandpfahl aufgestellt – Literatur, die pazifistische oder sozialistische Ideen befürwortete oder deren Autoren im Verdacht standen jüdischer Abstammung zu sein, sollten gebrandmarkt werden. In unserer Stadt wurden Bücher von allen örtlichen Buchhändlern freiwillig aussortiert. Als dieser Kulturfrevel in der Verbrennung der Bücher auf dem damaligen Hindenburgplatz gipfelte, machten auch die NS-Organisationen mit.“
Um an den 80. Jahrestag der Bücherverbrennungen vom 10.05.1933 zu erinnern, hat die Bürgerinitiative „Holt die Bücher aus dem Feuer“, unterstützt durch die Stadtbücherei, das Ensembles des Münsteraner Theaters, den meisten Buchhandlungen in Münster und vielen weiteren, am 11.05.2013 an vier Orten in Münster Lesungen durchgeführt. Gelesen wurde aus den Büchern, die damals auf der sogenannten Schwarzen Liste standen und reichsweit aus den Regalen verschwinden und dem Feuer übergeben werden sollten.
Die Leseorte am 11.05.2013 waren: 11:00 Uhr Stadtbücherei, 12:00 Uhr Dominikanerkirche, 13:00 Uhr Domplatz, 14:00 Uhr Stadtbücherei.
Jan Große Nobis
Schon am 6. Mai 1933 wurde am Domplatz ein „Schandpfahl“ mit angehefteten Einbänden von Büchern und Zeitschriften durch die Studentenschaft der Uni Münster aufgestellt.
Fotonachweis: Stadtarchiv Münster, Fotosammlung Nr. 5162.
Die Lesung "Holt die Bücher aus dem Feuer!" zum 80. Jahrestag der Bücherverbrennung in Münster beginnt an der Stadtbücherei Münster.
Julia Langhof eröffnet die Lesung "Holt die Bücher aus dem Feuer"...
Die Bühne ist ein altes Feuerwehrauto...
Die Leiterin der Stadtbücherei Münster, Monika Rasche, hält das Grußwort.
Kajo Schukalla liest einen Auszug aus Hubert Mattonet „Jeder Student ein SA-Mann! Ein Beitrag zur Geschichte der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in den Jahren 1933 bis 1939“.
Michael Bieber liest Oskar Maria Graf „Verbrennt mich“, Bert Brecht „Fragen eines lesenden Arbeiters“ und Martin Niemöller „Erst holten sie…“.
Oskar Maria Graf schrieb:
„Und die Vertreter dieses barbarischen Nationalismus, der mit Deutschsein nichts, aber auch rein gar nichts zu tun hat, unterstehen sich, mich als einen ihrer "Geistigen" zu beanspruchen, mich auf ihre so genannte "weiße Liste" zu setzen, die vor dem Weltgewissen nur eine schwarze Liste sein kann!
Diese Unehre habe ich nicht verdient!
Nach meinem ganzen Leben und nach meinem ganzen Schreiben habe ich das Recht, zu verlangen, dass meine Bücher der reinen Flamme des Scheiterhaufens überantwortet werden und nicht in die blutigen Hände und die verdorbenen Hirne der braunen Mordbande gelangen. Verbrennt die Werke des deutschen Geistes! Er selber wird unauslöschlich sein wie eure Schmach!“
Martin Niemöller schrieb:
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich nicht protestiert; ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Das Publikum hört aufmerksam zu.
Gerhard Mohr, Mitglied des Ensembles des Theater Münster, liest die Feuersprüche der Nazis zur Bücherverbrennung:
„1. Rufer: Gegen Klassenkampf und Materialismus, Für Volksgemeinschaft und idealistische Lebenshaltung! Ich übergebe den Flammen die Schriften von Marx und Kautsky.
2. Rufer: Gegen Dekadenz und moralischen Verfall! Für Zucht und Sitte in Familie und Staat! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Heinrich Mann, Ernst Glaeser und Erich Kästner.
3. Rufer: Gegen Gesinnungslumperei und politischen Verrat, Für Hingabe in Volk und Staat! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Heinrich Friedhelm Förster.
4. Rufer: Gegen seelenzerfasernde Überschätzung des Trieblebens, Für den Adel der menschlichen Seele! Ich übergebe der Flamme die Schriften des Sigmund Freud.
5. Rufer: Gegen Verfälschung unserer Geschichte und Herabwürdigung ihrer großen Gestalten, Für Ehrfurcht vor unserer Vergangenheit! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Emil Ludwig und Werner Hegemann.
6. Rufer: Gegen volksfremden Journalismus demokratisch-jüdischer Prägung, Für verantwortungsbewusste Mitarbeit am Werk des nationalen Aufbaus! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Theodor Wolf und Georg Bernhard.
7. Rufer: Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkrieges, Für Erziehung des Volkes im Geist der Wahrhaftigkeit! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Erich Maria Remarque.
8. Rufer: Gegen dünkelhafte Verhunzung der deutschen Sprache, Für Pflege des kostbarsten Gutes unseres Volkes! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Alfred Kerr.
9. Rufer: Gegen Frechheit und Anmaßung, Für Achtung und Ehrfurcht vor dem unsterblichen deutschen Volksgeist! Verschlinge, Flamme, auch die Schriften der Tucholsky und Ossietzky!“
Gerhard Mohr (Theater Münster) liest Kurt Tucholsky „Das Ditte Reich“.
Janneke Schoene liest von Georg Simmel „Die Großstädte und das Geisterleben“ (Auszug).
Während der Lesung wird jeweils der Autor und der Text angekündigt.
Die 2. Station an der Dominikanerkirche.
Michael Bieber von der Initiative eröffnet den zweiten Reigen der Lesung.
Carola von Seckendorff, Mitglied des Ensembles des Theater Münster, liest einen Auszug aus Heinrich Heines „Deutschland. Ein Wintermärchen“.
Carola von Seckendorff, Mitglied des Ensembles des Theater Münster.
Kerstin Wilhelms liest Gedichte aus der Exilzeit von Mascha Kaléko: „Sozusagen ein Mailied“, „Emigranten-Monolog“, „Interview mit mir selbst“ und „Post Scriptum. Anno Fünfundvierzig“.
Die Ankündigung der Texte von Mascha Kaléko.
Kerstin Wilhelms liest Gedichte aus der Exilzeit von Mascha Kaléko.
Das Publikum bei der Dominikanerkirche beim zweiten Reigen der Lesung "Holt die Bücher aus dem Feuer!". Sehr viele Passanten halten inne und hören zu.
David Ginnuttis liest Kafka: „Vor dem Gesetz“, „Kleine Fabel“ und „Der Nachbar“ (Auszüge).
Lotta Klein liest eine Gedichtauswahl von Jakob van Hoddis, Else Lasker-Schüler und René Schickele.
Jakob van Hoddis „ Morgens“.
Else Lasker-Schüler „Gebet“.
René Schickele „Abschwur“.
Katharina Müller liest Stefan Zweig “Angst” (Auszug).
Annemarie Enninghorst liest „Deutschland“, „Meine Universität“ und „Zweierlei Berlin“ von Wladimir Majakowski.