Momentaufnahme aus dem Hambacher Forst

‚Die einen haben eine Meinung, die anderen eine Dienstwaffe‘, steht an einem der Wohnwagen auf dem Wiesencamp bei Morschenich. Auf einer Wetttafel kann hier jeder einen Tipp abgeben, wievielen Polizisten noch eine ‚braune Dusche‘ verabreicht wird. Samstag, 22.09.2018: Geschossen wurde in und um den Hambacher Forst zum Glück bisher nur einmal, in die Luft – und wenn beim RWE Wochenende ist, scheint auch zwischen den Waldbesetzern und der Polizei etwas Entspannung einzutreten. „Alles ruhig heute“, heißt es am Samstagmittag am Mediapoint der Antikohleaktivisten. Die Waldbesetzer werkeln wieder fleißig an ihren Baumhäusern, Gerüsten und Barrikaden, und die Uniformierten bleiben in Sichtweite in ihren Einsatzfahrzeugen und lassen sie vorerst gewähren.

Die Polizeisperren um das Wiesencamp und den Wald sind gelockert, auch ich kann mich zwischen beiden Seiten frei bewegen – nur je einmal hilft dabei mein Presseausweis. Bei den Aktivisten ist es normales Interesse, kein Misstrauen – man ist froh, wenn Öffentlichkeit hergestellt wird.
Vereinzelt soll es trotzdem Polizeikontrollen geben, und wer sich nicht ausweist, wird festgesetzt. Und wer dabei Kletterausrüstung mit sich führt, so heißt es, ist sie erstmal los.
Am Nachmittag dürften sich an die 500 Aktivisten und Unterstützer im Wald verteilt haben. Einige Hundert lagern dazu auf dem Umland entlang der Straße zwischen Morschenich und Elsdorf, und alle 20 Minuten spuckt die S-Bahn an der nahen Station Buir neue Unterstützergruppen mit Rucksäcken, Fahnen und Transparenten aus. Eine Vierergruppe rollt ein Röhnrad über die Straße heran. Die Straßenränder im näheren Umkreis sind zugeparkt, den Kennzeichen nach aus der ganzen Republik kommend. Zum nächsten ‚Waldspaziergang‘ am Sonntag dürfte es wieder voll werden.

Udo Slawiczek

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