Variablen setzten Beginn
Münster. Am 3. April 2021 fand in Münster die traditionelle Osterfahrradtour für Frieden, Abrüstung und Umweltschutz statt. Sie startete am Schlosspatz, über die Universitätsstraße, die Aegidiistraße und Promenade ging es zum kolonialen Train-Denkmal zu einer Zwischenkundgebung und dann abschließend über den Ludgerikreisel und Rind zur Manfred-von Richthofen-Kaserne. Die Osterfahrradtour wurde von der Friedenskooperative Münster, der DFG-VK Münster und Pax Christi organisiert. Über 100 Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer nahmen teil.
Antikoloniales Wandbild am Cuba entfernt: „Es ist trotzdem ein Akt der Gewalt“
Rosemarie Brombach von der Friedenskooperative Münster eröffnete die Osterfriedenstour. Sie kritisierte schon eingangs, dass während der Wochen gegen Rassismus ein antikoloniales Wandbild – das einzige in Münster – vom Eigentümer des Gebäudes an der Achtermannstraße übermalt wurde. Sie sagte: Es wurde „ganz offiziell weiß überstrichen auf Geheiß des Eigentümers. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist es zwar sein gutes Recht. Es ist trotzdem ein Akt der Gewalt gegenüber unseren Interessen!“ Das Denkmal habe schließlich gestanden für eine Kultur von unten, gegen Gewalt von Krieg und Kolonialismus, gegen die Zerstörung der Umwelt und für eine Kultur des Widerstands. „Jetzt ist dies aus dem Stadtbild sozusagen ausradiert“. Stattdessen sei die Stadt nicht bereit, von Train-Denkmal zu verabschieden. In weiteren fordert Rosemarie Brombach einen Schulterschluss der Friedens- und Umweltbewegung. Schließlich würden die kommenden Kriege um die wenigen Ressourcen im Schatten des Klimawandels geführt werden. Abschließend sollte Frieden mit Russland angestrebt werden. Denn Deutschland solle zur Drehscheibe im Krieg gegen Russland werden.
„Ich möchte in einem Land leben, das keine Waffen produziert und auch kein Geld dafür ausgibt. Ein Land, in dem junge Menschen zu sozialen Wesen erzogen und nicht als mörderischen Handlanger für politische geostrategische Ziele missbraucht werden“
Anne Sandner vom DGB Münsterland analysierte in der zweiten Auftaktrede die Friedenspolitik aus Sicht der Gewerkschaften. Sie kritisiert, dass leider festzustellen sei, dass die Gruppe der Gewerkschafter*innen nicht besonders stark in der Friedensbewegung vertreten Sei: „Dabei sind doch die Gewerkschaften einst angetreten um die Arbeits- und Lebensbedingungen der abhängig Beschäftigten zu verbessern. Und für gute Lebensbedingungen ist das friedliche Zusammenleben auf dieser Erde von zentraler Bedeutung.“ Und geht auch sofort in Medias res: „Demnach wäre es folgerichtig [als Gewerkschaften] für ein Ende der Produktion von Rüstungsgütern, Atom- und Kleinwaffen zu sorgen. Deutschland könnte hier mit gutem Beispiel vorrangehen. Abrüsten statt Aufrüsten, das ist nach wie vor das Gebot der Stunde!“ Sie sei sich bewusst, dass das für die Beschäftigten ein schwerer Verlust sei. Aber: Auch in anderen Branchen würden Arbeitsplätze vernichtet. Und da bleibe auch der Aufschrei zumeist aus. Sie erinnert dabei daran, dass in Münster jüngst die Produktion bei Armstrong eingestellt wurde: Und sei bemerkenswert still in der Stadt gewesen! Deshalb hinke das Arbeitsplatzargument gewaltig, so Sandner.
„Was in dem Zusammenhang viel lauter, ehrlicher und betont gesagt werden muss: an den Rüstungsgütern wird jede Menge Geld verdient. Bei allem Wissen um das Scheitern von Konfliktlösungen mit Gewalt – Tod, Elend und Zerstörung sind immer die Folgen, Fluchtbewegungen die Konsequenzen“, so Sandner. Deshalb sei es unerklärlich, warum immer mehr Geld für Rüstungsgüter ausgegeben werde. Deutschland habe seine Militärausgaben auf mittlerweile knapp 45 Milliarden Euro erhöht, und nenne das Verteidigungshaushalt. Das selbst auferlegte Zwei-Prozent-Ziel der NATO sei damit aber immer noch nicht erreicht. Und sie fragt: „Was könnte man mit diesem Geld alles Sinnvolles anrichten!?“
Und sie fordert: „Wenn wir den Frieden wollen, dürfen wir weder das Sterben der Menschen in Kriegen oder im Mittelmeer sowie das Sterben unseres Planeten länger hinnehmen, noch die Spaltung der Welt in arm und reich. Statt immer höhere Rüstungsausgaben, brauchen wir mehr Geld für Klimaschutz, Sozialleistungen und Investitionen in die Daseinsvorsorge!“ Denn: „Ich möchte in einem Land leben, das keine Waffen produziert und auch kein Geld dafür ausgibt. Ein Land, in dem junge Menschen zu sozialen Wesen erzogen und nicht als mörderischen Handlanger für politische geostrategische Ziele missbraucht werden“, so Sandner abschließend.
„Koloniale Schandmale umgewidmet werden“
Auf der Zwischenkundgebung am Train-Denkmal, das er „koloniales Schandmal“ nennt, machte Thomas Siepelmeyer vom AKAFRIK (Arbeitskreis Afrika, Münster) deutlich, dass der seit der Pandemie wieder grassierende antiasiatische bzw. antichinesische Rassismus wieder eine lange Tradition habe: „Es gibt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, seit den beiden Opiumkriegen Großbritanniens und Frankreichs (1839-42 und 1856-60), die den Beginn der Kolonisierung des chinesischen Reiches markieren, eine lange Reihe der rassistischen Schmähung chinesischer Menschen, die bis heute andauert“, so Thomas Siepelmeyer. „Die ‚gelbe Gefahr‘ war von Beginn an im 19. Jahrhundert das übergreifende Narrativ der imperialistischen Mächte von den USA bis zu den europäischen Mächten“, so Siepelmeyer weiter. Und auch Deutschland und Münster habe an den dort stattgefundenen kolonialen Gräueltaten mitgemacht. Nicht nur die Münsteraner Train-Abteilung, die dort stationiert war, sondern auch der deutsche Botschafter des deutschen Kolonialismus Clemens August Freiherr von Ketteler – ein Münsteraner –, der von den Aufständischen erschossen worden war, wird in Münster noch mit einer Straße und einem Denkmal im Schlossgarten geehrt. Das müssen umgehend geändert werden. Genauso, wie das Train-Denkmal in ein antikoloniales Denkmal umgewidmet werden müsse, das bisher für den „Genozid der kaiserlichen Armee an den Menschen in Namibia“ stehe.
„Lockdown fürs Militär“ gefordert
„Tatsache ist: für die Missstände und Bedrohungen, die unsere Existenz wirklich gefährden, Klimakrise, Armut, Ausbeutung, Hunger, die Pandemie, hat kein Militär dieser Welt eine Lösung parat. Sicherheit für alle Menschen zu schaffen ist eine riesige Herausforderung, die nur zivil gelingen kann“ so Kathrin Vogler, Friedenspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, auf der Abschlusskundgebung an der ehemaligen und eventuell bald wieder in Betrieb genommenen Manfred-von-Richthofen-Kaserne.
Die Kaserne sollte dringend benötigter neuer Wohnraum für Münster werden, nun ist sie wieder als Stützpunkt im Gespräch. Vogler kritisiert, dass dort wahrscheinlich das „Führungskommando Landstreitkräfte“ eingerichtet werden soll und könne Teil der sogenannten Abschreckung gegen Russland werden: „Wir sind mitten drin. Europa ist zum Mega-Sandkasten für die Kriegsspiele der NATO und der USA geworden. Und aufgrund seiner geografisch zentralen Lage ist Deutschland das Drehkreuz für Militäraufmärsche.“ Und: „Das Münsterland spielt dabei eine zentrale Rolle: Aus dem ‚Army Preposition Stock‘, dem 2017 neu errichteten Nachschublager der US-Armee in den ehemals britischen Tower Barracks in Dülmen, werden in den nächsten Wochen Militärmittel, Waffen, Munition und Versorgungsmaterial, an die an Defender 2021 beteiligten US-Einheiten geliefert.“
Deshalb rief sie auch zu Teilnahme am Ostermarsch im Kreis Coesfeld auf. Dort werde deshalb eine Stunde lang der Eingang dieses US-Militärlagers symbolisch blockiert werden.
Sie kritisierte die ganzen militärischen Übungen an der Ostflanke der NATO – direkt vor den Grenzen Russlands: „Defender Europe 2020 wurde zwar von der Corona-Pandemie gestoppt“. Aber seit März übe die US-Armee nun mit „Defender Europe 2021“ den Krieg gegen Russland in Osteuropa, so Vogler. Mit 31.000 Soldat*innen und über 30 Einzelmanövern, diesmal trotz der Pandemie. Und Vogler weiter: „Wir fordern: Lockdown für das Militär, nicht nur während der Pandemie!“
Und abschließend forderte sie: „Wir stehen für den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag der UNO. Deutschland braucht keine neuen Atombomber, sondern eine atomwaffenfreie Zone und neue Anstrengungen für eine atomwaffenfreie Welt!“
Musikalisch begleitet wurde die Osterfahrradtour durch Fari Hadipour & David (Musik für den Frieden).
Die Reden können bei MünsterTube nachgehört werden.
7 Gedanken zu „Lockdown fürs Militär gefordert“
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