Kuratorium feiert Gründung der DDR vor 70 Jahren


Variablen setzten Beginn

Am 7. Oktober feierte das „Ostdeutsche Kuratorium von Verbänden“ (OKV) mit 400 Gästen die alternative Jahresfeier zur Gründung der Deutschen Demokratischen Republik – in diesem Jahr mit mehr Aufmerksamkeit durch die Medien, auch aus dem Ausland. Mit ihrer Abschlusserklärung melden sie Widerspruch zur gegenwärtigen Innen- und Außenpolitik der Bundesregierung an, die in mehrfacher Hinsicht Aufmerksamkeit verlangt, sie ist hier nachzulesen. (weiter unten mehr!)

Ich erlaube mir ein paar persönliche Anmerkungen zu diesem Tag. 40 Jahre nach ihrer Gründung fiel die DDR wie ein Kartenhaus widerstandslos in sich zusammen, heute denken wir an ihre Gründung und reiben uns die Augen. Wir stellen fest, dass weniger zusammengewachsen ist, als gedacht. Die Gründe dafür liegen oft tief in der Verletzung der Menschen, die durch den BRD-Imperialismus und Artikel 23 Grundgesetz rücksichtslos vereinnahmt wurden. Nachdem der erste Vereinigungsrausch vorbei war, spielte die Meinung der Ostdeutschen überhaupt keine Rolle mehr. Ihnen wurde ein völlig anderes, kapitalistisches System aufgezwungen, das einen enormen Anpassungszwang in allen Lebensbereichen und tief in die Familien ausübte. Hinzu kamen die monetären, beruflichen und gesellschaftlichen Verletzungen. Heute brechen die Wunden wie nie zuvor wieder auf.

Schnäppchenjagt vor demokratischer Erneuerung

Bereits 1989 scharrte das Kapital mit den Hufen und stand zur Schnäppchenjagt der zum Ausverkauf stehenden DDR bereit. Kanzler Helmut Kohl standen Außenminister Genscher und andere Helfershelfer aus Politik und Ökonomie zur Seite. Damals schon wurde der gleiche Fehler wie später bei der Gründung EU gemacht, indem man allein auf die Kräfte des Marktes setzte. Das soziale Miteinander und die demokratische Entwicklung spielten keine Rolle.

Viele setzten auf eine andere Lösung. Artikel 146 Grundgesetz hätte Ost und West ermöglicht, in einem demokratischen Prozess mit einer verfassungsgebenden Versammlung und einem Volksentscheid darüber zu befinden, wie wir unsere gemeinsame Zukunft unter einer gemeinsamen Verfassung gestalten wollten. Das Grundgesetz dazu: „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Dieses Zusammenwachsen wollten Oskar Lafontaine, Bundespräsident R. V. Weizsäcker und viele andere. Noch 1990 log „Vereinigungs-“ Kanzler Helmut Kohl: „Wir werden eine neue Verfassung zu schaffen haben […] Ich bin dafür, dass das, was sich bewährt hat, und zwar auf beiden Seiten, von uns übernommen werden soll.“

Zerstörte Demokratieträume

Ich war 1990 in Frankfurt in einer Arbeitsgruppe dabei, in diesem großen, demokratischen Erneuerungsaufbruch. Über 2.000 Menschen aus Ost und West, Wissenschaftler, Künstler, Politiker, Gewerkschafter und werktätige Menschen bildeten in Weimar, Potsdam oder Frankfurt Arbeitsgruppen zur Vorbereitung auf eine neue Verfassung als Grundlage für das Zusammenwachsen unserer verschiedenen Zivilgesellschaften. Der Rechts- und Politikwissenschaftler Ulrich K. Preuß streute damals Zuversicht: „Eine Gesellschaft, die sich eine Verfassung gegeben hat, ist politisch intelligenter, wacher und über sich selbst aufgeklärter.“

Es wurde diskutiert über Frauenrechte, Recht auf Arbeit, Rolle unserer Kinder, Datenschutz, Umweltschutz, Technikfolgen, Föderalismusreform und mehr direkte Demokratie. Das war offenbar für manche zu viel Demokratie. Wie wir wissen, kam es deshalb anders. Für den Grünen Wolfgang Ullmann war die Verfassungsfrage „bei weitem die wichtigste aller Fragen der deutschen Vereinigung“. Wie er gaben viele auf, und der demokratische Aufbruch wurde plattgewalzt von demokratiefeindlichen Kräften und dem Meinungsjournalismus, allen voran die Springer-Journaille.

Doch vorbei ist vorbei. Was wir jetzt dringend und baldigst brauchen, ist eine gemeinsame Geschichtswerkstatt auf Augenhöhe. Damit vielleicht doch noch richtig zusammenwächst, was zusammengehört. (07.10.2019, Hans-Dieter Hey, Fotos: Rudi Denner)

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