Köln: Satire vor dem Rosenmontagszug – Pappnasen Rot-Schwarz auf dem Zugweg

Man sagt dem Kölner Rosenmontagszug mitunter nach, er sei politisch zu brav – im Vergleich zu den Rivalen aus Düsseldorf. Wenn dem so sei, sorgen die globalisierungskritischen Satirekarnevalisten von den ‚Pappnasen Rot-Schwarz‘ immerhin für Ausgleich. Als eine der inoffiziellen, aber längst tolerierten und zunehmend geschätzten Vorgruppen ziehen sie in selbst gefertigten Kostümen und Pappfiguren mit Bollerwagen und Lastenrädern am Rosenmontag dem ‚großen‘ Festumzug voraus durch die Kölner Straßen und nehmen sich dabei mit ’satirisch-karnevalistisch-politischem Frohsinns-Spektakel‘ unverblümt aktuelle politische Themen vor. Auf der mitgeführten Musikanlage läuft dabei selbst getextetes nach Melodien bekannter Karnevalshits – und mancher Jeck am Straßenrand, der schon fröhlich in den Refrain einstimmt, wundert sich spätestens ab der dritten Verszeile über die Variationen – die dann aber auch per ausgeteiltem Textblatt wieder mitgesungen werden können.
Mit Rosenmontag 2018 haben die Pappnasen das 11. Jahr ihres Bestehens vollendet. Damit erlangte die Gruppe schon etwas Traditionsstatus, denn in Köln hat die Zahl 11 besondere Bedeutung: Schon das Stadtwappen enthält 11 Blutstropfen – in Erinnerung an 11 englische Pilgerinnen, die im Altertum vor den Toren Kölns von den die Stadt belagernden Hunnen niedergemetzelt wurden und seitdem als Märtyrerinnen verehrt werden. Außerdem gilt die Zahl 11  – aufgrund des jahrhundertelang verwendeten 12er-Zählsystems – als Symbol der Unvollkommenheit, zu der sich die Kölner allgemein und gerade die Karnevalisten, im ganzen Rheinland, freimütig bekennen.
Das vom offiziellen Festkommitee des Kölner Karnevals für 2018 ausgegebene Motto ‚mer danze us d’r Reih‘ (wir tanzen aus der Reihe) hatten die Pappnasen aufgegriffen und erweitert, bei ihnen hieß es ‚Mer klääve nit (= kleben nicht) am Wachstumswahn, mer danze us d‘ r Reih‘. 120 Mitstreiter zeigten sich kostümiert als Wirtschaftswaisenknaben, Imker mit aufgebahrter letzter Biene, Sensenmänner in Verkörperung der Folgen des Klimawandels, Eisbär auf schrumpfender Scholle, wachstumsfixierte graue Herren frei nach Michael Endes ‚Momo‘, alternativem Dreigestirn mit Bio-Bauern, Nicht-mehr-Jungfrau und Prinz Karl I. (Marx) nebst vielem mehr.
‚Kritik an den Mächtigen – das ist unser jeckes Lebensgefühl. Der Kölner Karneval braucht neben der Ehrengarde und der Prinzengarde eben auch eine Avantgarde‘, meinte dazu augenzwinkernd Thomas Pfaff in der Rolle eines (nicht existierenden) Vereinspräsidenten.

Udo Slawiczek

error: Content is protected !!