Köln: Anschläge auf Muslime angedroht

Am 6. Juni riefen in der Kölner Keupstraße Flyer der „Atomwaffendivision Deutschland“ mit Hakenkreuz versehen dazu auf, Muslime anzugreifen. Und das zum 15. Jahrestag des NSU-Nagelbombenanschlags in Köln. Die Kölner Polizei sieht keine konkrete Gefahr und der Staatschutz ermittelt lediglich wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, aber nicht wegen der Androhung von Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit, die nach dem Grundgesetz geschützt ist. Weiter unten mehr!

Aufruf zum totalen Bürgerkrieg

Schon im Mai gab es an der Frankfurter Goethe-Universität Flugblätter der „Atomwaffendivision Deutschland“, die zum „totalen Bürgerkrieg“ und „zum Mord an Muslimen, Imamen und Rabbinern“ aufriefen, berichtete die Frankfurter Rundschau am 27. Mai. Bereits im November 2018 tauchten in der Berliner Humbold-Universität ähnliche Flugblätter auf. Die Berliner Polizei hatte damals ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet“. Auch hier wurde der Staatsschutz eingeschaltet, doch die Ermittlungen führten „nicht zur Namhaftmachung einer tatverdächtigen Person“.

Bundesregierung ahnungslos

Auf eine Anfrage der Linken im Bundestag vom 24. Juli 2018 zur Existenz des deutschen Ablegers der rechtsextremistischen „Atomwaffendivision“ antwortete die Bundesregierung ahnunslos: „Nach vorliegenden Erkenntnissen ergeben sich keine Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass es sich bei der AWD um eine terroristische Vereinigung handelt“, es handele sich dabei um ein lediglich „abstrakt hohes Niveau“. Dabei ist die „Atomwaffendivision“ eine der aggressivsten Neonazigruppen der USA, die mit zahlreichen Hass-Morden in Verbindung gebracht wird und seit dem Jahr 2015 aktiv ist. Zwischen Mai 2017 und Januar 2018 gab es fünf Morde und Planungen zu einen Bombenanschlag auf eine Kernkraftanlage.

Medienberichten zufolge sollen mehrere deutsche AWD-Anhänger in den USA an einem „Hass-Camp“ teilgenommen haben, um sich auf einen Rassenkrieg vorzubereiten. Vorbilder sind die Massenmörder Andres Breivik (Anschlag in Utoya 2011) oder Timothy McVeigh (Oklahoma City 1993).

Gibt es Parallelen zu Rechtsextremisten hierzulande? Am 2. Juni 2019 wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke ermordet. Rechte Hetzer feierten in den asozialen Medien den Tod des CDU-Politikers. Er hatte sich für Flüchtlinge eingesetzt. Bereits 2015 bekam er deswegen Morddrohungen, Häme folgten, aus Netz zitiert die FR am 7. Juni: „’Eine widerliche Ratte weniger. Fehlen noch die anderen‘. Ein weiterer frohlockt: ‚Das wird nicht der letzte sein … der Krieg hat begonnen.‘ Der AfD-Kreisverband Dithmarschen in Schleswig-Holstein postet: ‚Mord????? Er wollte nicht mit dem Fallschirm springen.‘ Eine offensichtliche Anspielung auf den Tod des FDP-Politikers Jürgen Möllemann.“

Rechtsextreme im Vormarsch

Seit Jahren also versuchen der deutsche Ausleger der „Atomwaffendivision“ und „Combat 18“ (als militanter Arm von Blood and Honour) als „Erben des NSU“ und andere den Schulterschluss. Letztere sind in ganz Europa verbreitet und haben offenbar auch in Köln ihre militanten Ableger. Doch der Verfassungsschutz stuft Combat 18 nicht als terroristisch ein. Es sei „höchst besorgniserregend, wie sehr die Bedeutung von Combat 18 als internationales rechtsterroristisches Netzwerk durch das Bundesamt für Verfassungsschutz negiert und verharmlost wird“, so die Innenexpertin der Linken im Bundestag, Martina Renner. „Vor allem angesichts der bundesweiten Angriffe auf Flüchtlinge durch Neonazis grenze diese Analyse „letztendlich an bewusste Täuschung über die reale Gefahr rechtsterroristischer Netzwerke“.

Der europaweite rechtsextremistische Schulterschluss dient dazu, das Land und die Menschen mit Hass und Zwietracht zu spalten und zu verängstigen und kündigt schließlich den „führerlosen Kampf“ in Kleingruppen an. „Wir bereiten uns auf den langen, letzten Kampf in Trümmern vor, der bald kommen wird“ heißt es. Sie alle eint der Rassenhass, die Angriffe auf Geflüchtete und die blindwütige Gewalt. Doch die Bundesregierung gibt sich weiter auf dem rechten Auge blind.

Große Koalition biedert sich der Rechten an

Und irgendwie passt alles dann doch zusammen. Auch, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Mittel für Geflüchtigte kürzen will und die Große Koalition von CDU und SPD die Abschiebungshaft in Gefängnisse beschlossen hat und damit nach rechts einknickt. Die Kritik des Europarats an den neuen Asylgesetzen, die gestern beschlossen wurden, und das Grundgesetz interessiert diese Große Koalition offenbar nicht mehr. Deutschland wird zum Fremdschämen und läuft Gefahr, sich durch Rechtsruck und politische Anbiederung innerlich zu zerstören. Die besorgniserregende Entwicklung macht eine linke Gegenmacht inzwischen dringend notwendig. (Köln, 07.06.2019, aktualisiert, Hans-Dieter Hey)

Ergänzung 9.6.2019:

Prof. Dr. Thomas Münch macht auf folgenden Facebook-Eintrag aufmerksam:

Kommentar von Claus-Ulrich Prölß (Kölner Flüchtlingsrat) zur Verabschiedung des Gesetzespaketes zur Migration:

„Nur acht Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hatten heute den Mut, gegen das „Geordnete Rückkehr-Gesetz“ zu stimmen. Acht – gegen 130 weitere, die – so zeigten Antworten von SPD-Abgeordneten auf Protestbriefe von NGO’s und Einzelpersonen – oftmals in Unkenntnis des Gesetzestextes dem Primat des unbedingten Machterhalts auf den Leim gingen. Vielleicht auch aus schierer Angst, vielleicht auch aus politischer Orientierungslosigkeit, vielleicht auch, weil die heute verabschiedeten sieben Gesetze im parlamentarischen Schnellstruckzuck durchgepeitscht wurden. Hochachtung aber vor den acht! Denn sie machen sich nicht mitschuldig am radikalen Bruch in der Flüchtlingspolitik. Im Gegensatz zu den anderen, die jetzt für die weitere – dieses Mal weitgehende – Demontage rechtsstaatlicher Standards politisch mithaften. Dass Teile der beschlossenen Normen verfassungswidrig sind, versteht sich von selbst. Wir wissen aber spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2012 zum AsylbLG, wie lange, wie viele Jahre es dauert, bis das Gericht eine Verfassungswidrigkeit auch feststellt. Darauf baut ganz offensichtlich die GroKo. 
Dass die Gesetze heute so beschlossen wurden, obwohl es massive Proteste der Zivilgesellschaft, von NGO’s, Wohlfahrt und Kirchen, von vielen Einzelpersonen und nicht zuletzt von Justzministern der Länder gab, zeigt auch, wie fern die Regierung von Verantwortung, Vernunft und Humanität entfernt ist. Der insbesondere von CDU/CSU vorwärts betriebene Rechtsruck macht auch vor der SPD nicht Halt. Dafür oder dagegen – die Partei muss sich entscheiden!“

 

 

 

 

 
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