Köln 2021: Gedenken an die Befreiung vom Faschismus

An diesem 8. Mai gedachten in Köln ungefähr 100 Menschen des Tags der Befreiung vom Faschismus. In den ersten Monaten des Jahres 1945 war das anders.

Als im Mai 1945 die fremden Panzer mit fremden Soldaten in die Stadt rollten, die man später Befreier nannte, stellte sich ihnen die 20jährige Eva mit trotzigem Hitlergruß und höhnischem Gelächter entgegen. Sie empfand die deutsche Niederlage als Zumutung. Eva war überzeugt von dem „herzensguten Adolf Hitler“, ebenso wie ihr Vater Nazi war, der Studienrat, den sie Wochen zuvor in Stukenbrock besuchte, wo er die dort gefangenen Soldaten der Sowjetarmee bewachen musste. Er war „150prozentiger“ Parteigenosse der NSDAP und tat seine Arbeit mit Stolz und Überzeugung. *) Weiter hier!

Ein Video mit diesen bemerkenswerten Beiträgen von:

Eva Aras (Städtepartnerschaftsverein Köln-Wolgograd)
Peter Trinogga (VVN-BdA)
Witich Rossmann (Deutscher Gewerkschaftsbund)
Senta Pineau (Grußwort für OB Henriette Reker
Valerij Ljubin (rezitiert)

Als es vorbei war, war für die meisten Deutschen nicht die Befreiung das tragende Gefühl, sondern die Erleichterung, dass der Krieg endlich vorüber war. Ein Befreiungsgefühl verlangt doch mehr Bewusstsein. Befreit fühlten sich eher die verfolgten Frauen und Männer der Sozialdemokratie, Kommunisten, Gewerkschafter, widerständige und mutige Frauen und Männer, auch aus dem Kreis der Kirchen, die politischen Häftlinge, jüdische Männer und Frauen, Sinti und Roma.

Evas kurzer Ausschnitt aus dem Leben einer deutschen Durchschnittsfamilie, die – nach Traumatisierung und jahrelangem Schweigen – spät mit ihrer Verantwortung gegenüber ihrer Geschichte begann, mit der Erkenntnis über die schlimmsten Gräueltaten, zu denen Menschen überhaupt fähig sind, die damals von gezündetem blindem Hass und Rassismus begleitet waren. Es war der Sieg des Todesfürsten Thanatus in Gestalt von Adolf Hitler und seinen Schergen, der sein eigenes Volk nach erfolgreich implementierter „Zustimmungsdiktatur“ mit dem „Nero“-Befehl schließlich ins eigene Verderben und in den Untergang zu führen trachtete: „Es gibt nur noch Halten der Stellung oder Vernichtung“. Die geschätzte Opferzahl beläuft sich auf mindestens 67 Millionen Menschenleben, allein in der Sowjetunion gab es 27 Millionen Tote.

Nach dem Krieg nannte man es „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. In die tiefsten Abgründe des eigenen menschlichen Handelns zu schauen, das war für die Verlierer nicht leicht. Dem folgte nach 1945 in den Familien jahrzehntelanges Totschweigen. Die Aufarbeitung dauert bis heute und hat auch bis heute und wieder ihrer Leugner, Verschwörer und Vereinfacher.

Es gibt noch zahlreiche weitere Gründe, dass dieser 8. Mai in Deutschland ein Feiertag des Gedenkens sein muss, damit sich dieses bitterböseste Verbrechen der Menschheitsgeschichte nicht wiederholt. Denn bis heute wird er von konservativen Kräften, von CDU, CSU bis AfD bekämpft und verhindert. In anderen Länder gilt der Tag längst als Feiertag – nur nicht beim Tätervolk. Seit Jahren wird er hierzulande gefordert, nicht zuletzt von der Holocaust-Überlebenden Esther Bejarano: „Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Welt nachzudenken: über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.“ Und nachzudenken wäre auch über den Schwur aus dem KZ Buchenwald: „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“. (08.05.2021 Hans-Dieter Hey, Fotos: Senta Pineau, Hans-Dieter Hey)

*) Eva Sternheim-Peters wurde am 25.03.1924 geboren und verstarb am 13.04.2020 an Covid19. In ihrer Autobiografie von 2015 „Habe ich denn allein gejubelt“ beschreibt sie, wie man hineingeraten konnte in dieses ausgeklügelte faschistische System.

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