Variablen setzten Beginn
Für Sonntag, den 30. August, hatte Agrarministerin Julia Klöckner zu einem EU-Treffen der Agrarminister an die Mosel nach Koblenz geladen. Man wollte über Verteilung von Subventionen an Agrarriesen und generell auch über Landwirtschaft sprechen, als informelles Pläuschchen. So unverbindlich, wie Julia Klöckner das immer macht. Sie will es sich mit der Lobby nicht verscherzen. Gern wollte sie auch „einen Landwirt aus der Region Rheinhessen zu Wort kommen zu lassen“.
Bekommen hat sie an diesem Sonntag allerdings eine Demonstration mit Vorwürfen und Forderungen gegen ihre Politik. Viele wollen die Hinhaltetaktik nicht mehr akzeptieren und machten mit Rufen wie „Wir haben es satt“ ordentlich Druck. Immer noch, muss man sagen. Denn seit dem Jahr 2011 kämpfen die bäuerlichen Landwirte mit 55 Trägerorganisationen nahezu ergebnislos für eine Agrar- und Ernährungswende gegen die seitdem CDU-geführten Regierung mit Aktionen, Kongressen, Veranstaltungen und eben Demonstrationen wie an diesem Sonntag. Weiter hier!
Spitzenreiter bei den Pestiziden
Rheinland-Pfalz ist bei der Pestizidbelastung trauriger Spitzenreiter unter den deutschen Bundesländern, weiß der 2. Vorsitzende des Imker-Verbandes RLP, Franz Botens zu berichten. Die Bundesregierung müsse daher endlich ein Pestizidmonitoring einführen, lautete eine Forderung der Demonstranten. Und das hat guten Grund: „Bis zu 34 verschiedene Wirkstoffe wurden in einer einzigen Bienenbrotprobe nachgewiesen. Bienenbrot, das sind im Bienenvolk eingelagerte Blütenpollen. Auch andere Bestäuber wie Hummeln und Wildbienen fressen belasteten Blütenpollen. Es gibt in ganz RLP nur sieben Messpunkte für Pestizidrückstände und kein Pestizidkataster mit dem die Herkunft der Rückstände nachvollziehbar wäre“, so Botens weiter.
Stimmung und Boden vergiftet
Die Protestierenden sind stinksauer auf Julia Klöckner. „Unter den nachgewiesenen Rückständen ist auch der nicht zugelassene Hormonwirkstoff Fenoxycarb, der als sogenannte ‚Notfallzulassung‘ seit vielen Jahren regelmäßig freigegeben wird. Frau Klöckner hat in diesem Jahr schon 70 solcher ‚Notfallzulassungen‘ erteilt, obwohl es keine Notfälle gibt. Seit April hat die Landesregierung in RLP den Obstbauern erlaubt, Glyphosat in Naturschutzgebieten einzusetzen. Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren Agrarminister, das Wort ‚Pestizidreduktion‘ ist in RLP ein Fremdwort. Die EU aber will bis 2030 eine Pestizidreduktion von 50 Prozent. Wir appellieren an Sie, fangen Sie hier in Koblenz damit an. Ersetzen Sie in Schutzgebieten und an Gewässern synthetisch-chemische Wirkstoffe durch Wirkstoffe aus dem Ökologischen Landbau. Erweitern Sie diese Gebiete jährlich so, dass bis 2030 50 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche pestizidfrei ist. Führen Sie endlich ein Pestizidkataster und ein Pestizidmonitoring ein! Beenden sie die Praxis der sogenannten Notfallzulassungen und beenden sie die Praxis, wie im Fall Lumiposa, dass ein in Deutschland nicht zugelassenes hochgiftiges Insektizid aus Polen eingeführt werden darf. Schaffen Sie eine zentrale Pestizidzulassungsstelle für die gesamte EU“, so Botens.
Umweltanforderungen auch bei Importen gefordert
Und weiter: „Unsere wichtigste Forderung: gleiche Umweltanforderungen an importierte Agrarprodukte. Nur so können die Bäuerinnen und Bauern in der EU wirtschaftlich arbeiten, und nur so können wir global das Klima schützen. Die EU muss zum Taktgeber für Umwelt und Klima weltweit werden. Als erste Maßnahme sollte der Sojaimport aus Südamerika gestoppt werden. Dieser Sojaanbau führt zu großen Umwelt- und sozialen Problemen bis hin zum Abbrennen des Urwaldes und gleichzeitig in Deutschland zu Fleischfabriken, Gülleschwemme, Nitratbelastung, Preisverfall und Schlachthofskandalen. Das müssen Sie ändern.
Letzte Forderung: die EU-Kommission soll einen Nachhaltigkeitsrat mit unabhängigen Wissenschaftlern einrichten, der zukünftig alle Rechtsakte der EU und auch Verhandlungsmandate für Handelsverträge auf ihre Vereinbarkeit mit dem 1,5-Grad-Ziel von Paris und mit der europäischen Menschenrechtskonvention vor Inkrafttreten überprüft.“
„Liefern statt Labern – EU-Agrarreform anpacken!“
Doch statt wirklich anzupacken, mache Klöckner Werbung für die Ernährungsindustrie. „Dabei muss jetzt bei der Neuverteilung der Milliarden-Subventionen die Agrarwende in Europa vorangebracht werden. Das wurde bereits am 1. Juli in Berlin gefordert. Geliefert hat Klöckner bisher nicht. In diesem Zusammenhang ist das wirklich wichtiges Buch für die Gegenwart „Das Gift und wir“ erschienen, von dem Renate Künast, ehemalige Landwirtschaftsministerin, sagt: „Dieses Buch hat die Sprengkraft von Rachel Carsons „Stummer Frühling“ und ist ein Meilenstein für das Ende des Pestizidzeitalters“ (Anton Safer)
Speech of Franz Botens, Deputy Chairman Beekeepers Association Rhineland-Palatinate e.V. in English
Rede von Volker Daiss, Geschäftsführer NGG
Sabine Yacoub, Ralf Wey und Annette Seehaus-Arnold
Beitragsfoto: Rudi Denner
3 Gedanken zu „Julia Klöckner (CDU) muss endlich Agrarwende liefern“
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