Gomera – Kurven, Sonne, Wind und Freiheit

Beschaulich geht es zu auf der Kanareninsel Gomera. Wenn man erst einmal die etwas umständliche Anreise hinter sich hat, kann man sich einem entspannten Zeittakt hingeben.

Die abgelegene Lage und das ruhige Inselleben ist wohl auch Ursache dafür, dass über die Gomeros ähnliche Witze kursieren wie bei uns über die Ostfriesen. Die Insulaner genießen aber die Schutzfunktion, die ihre abgelegene Lage mit sich bringt: die kleinen Häfen der Küstenorte bieten keinen Platz für die heutigen Riesen-Kreuzfahrtschiffe, und so bleibt man von den Invasionen der Tagestouristen verschont, die beliebte Ziele wie Venedig und Dubrovnik überfluten. Auch die Massen der Strand- und Partytouristen hält man sich durch die relativ lange Anfahrt mit Flug zur Nachbarinsel Teneriffa, Bustransfer zum dortigen Hafen Los Christianos und Weiterfahrt per Fähre (in meinem Fall von Tür zu Tür 14-stündig hin, 20-stündig zurück), vom Hals. Nur zum Versaufen der Kegelkasse kommt hier keiner hin, da darf das Bier in der Bar auch nur 1,50 € kosten. Wer den Weg auf sich nimmt, will wirklich etwas von der schönen Landschaft sehen oder einfach in Ruhe entspannen. Ich hatte mir im Februar 2019 ein Aktivprogramm vorgenommen: eine Woche Wandern, eine Woche Radfahren, und zwischendurch auch mal ins Meer oder in den Pool.

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Deutsche stellen hier die größte Gästeschar, hinzu kommt eine große Zahl von Residenten sowie diverse Zirkel ehemaliger Hippies, Sektierer und Aussteiger mit gleicher Herkunft, und so finden sich manche touristische Angebote zuerst in Deutsch, dann in Englisch und dann erst in Spanisch angeschlagen.

Mein Standort, das Küstenstädtchen Valle Gran Rey, liegt auf der Schönwetterseite im Westen und bietet trotz einiger touristischer Ausrichtung eine noch recht idyllische Atmosphäre. Die Ortsviertel verzweigen sich im Grün zwischen Bananenplantagen, kleinen Terassenfeldern, Mango- und Palmenhainen über das ganze Tal und lassen schon von weit oben auf der vom Inselzentrum hinunterführenden Straße einige malerische Ausblicke zu.

An drei kleinen schwarzen Stränden kann man sich der Sonne und dem Atlantik hingeben. Am Playa del Ingles im nördlichen Stadtteil La Playa gibt es mitunter kräftigen Wellengang, weiter südlich am Charco del Conde und am Playa de Vueltas, am gleichnamigen Hafenviertel vor einer eindrucksvollen Steilküste, ist es durch vorgelagerte Felsen oder die Hafeneinfassung ruhiger. Das Meer ist frisch, aber schon etwas wärmer als der ungeheizte Hotelpool.

Am Abend sorgen an den Stränden Straßenkünstler, oft auch aus Deutschland, fürs Flair: Musiker mit Gitarren oder einer eigentümlich geformten Blechtrommel, der Handpan, und Feuerjongleure, die dazu ihre Fackeln und Feuerringe im Rhythmus schwingen.

Wer sich die Insel erwandern will, findet reichlich lohnenswerte Gelegenheit. Die in der Regel auch ordentlich ausgeschilderten Wege schlängeln sich meist in Serpentinen durch enge Schluchten immer nur auf und ab. Ein Mindestmaß an Fitness wäre also hilfreich. Erleichterung kann aber die Nutzung der grünen Linienbusse bringen, die hier Guaguas heißen. Und in jedem Dörfchen findet sich auch mindestens eine Bar für die Pause mit einem Cortado oder Café con leche.

Für Botaniker entpuppt sich die Insel auf den Wegen dabei als wahrer Kräutergarten. Salbei, Fenchel, Rettich, Kamille, Minze und vieles mehr wächst hier frei im Lorbeerwald. Aloe Vera, Agaven, Wolfsmilchsträucher, alte Opuntienplantagen und immer wieder Dattelpalmen, aus denen der süße Guaraposaft gewonnen wird, prägen die Kulturlandschaften. Wer Mangos anbaut, bevorzugt weibliche Bäume, weil diese nicht sehr hoch werden und leichter abzuernten sind.

Viele der Terassenfelder, auf denen früher Kartoffeln gedeihten, sind heute leider nicht mehr bewirtschaftet – andere jetzt immerhin noch mit Gras bewachsen und werden von Ziegen und Schafen abgeweidet.

Wasser ist knapp und wird mit unzähligen Auffangbecken und Mini-Talsperren aufgefangen. Der regenarme Süden wird vom Norden, wo die Wolken eher hängen bleiben, durch ein Leitungssystem mit versorgt. So führen sonst trockene Wassergräben einmal in der Woche das kühle Nass auf die Plantagen und Gärten im und um das Stadtgebiet.

Die Lorbeerwälder auf den Höhenzügen im Inselzentrum stehen normalerweise oft im Nebel – so bleibt etwas Feuchtigkeit an den Bäumen hängen. Man sagt dann, die Bäume melken die Wolken. Während meiner Zeit blieben die Wolken aber meist aus, und auch der Wasserstand in den kleinen Talsperren war ziemlich niedrig. Auch hier die Vorboten des Klimawandels?

Auf dem Fahrrad von Ort zu Ort braucht es auf jeden Fall gute Kondition und Fahrpraxis. Die Straßen sind in gutem Zustand und der Verkehr hält sich in Grenzen. Um aber z. B. von Valle Gran Rey auf der einzigen herausführenden Straße schon zum nächsten Ort Arure zu gelangen, muss man zunächst auf 11 km etwa 900 Höhenmeter überwinden. Will man von dort noch weiter zu einem anderen Küstenort, wie z. B. zu dem in Luftlinie nur 6 km südlich von Valle Gran Rey gelegenen La Dama, ackert man sich weiter hinauf auf Höhe 1200, kann dann eine lange Abfahrt genießen – aber muss das Ganze natürlich auch wieder zurück… und kommt so mal eben auf eine Strecke von 75 km.

Örtliche Verleiher bieten vor allem geländetaugliche Räder mit dicken Reifen und Gangschaltungen mit kleiner Übersetzung, Renn- und Trekkingräder sind seltener und sollten vorher reserviert werden. Der Reifendruck sollte nicht bis zum Limit ausgereizt werden: denn auf den oft über 10 km langen Abfahrten überträgt sich die Reibungshitze der Felgenbremsen auf den Schlauch, so dass sich die Luft ausdehnt und ein Überdruck entsteht, der womöglich zum Reifenplatzen führen kann.

Die Temperaturen sind im Februar ideal für den Aktivurlaub. Das Thermometer bewegt sich meist zwischen 20-25° C. Nicht zu unterschätzen: die Sonne scheint mit afrikanischer Intensität. Trotz 20-fachem Sonnenschutz holte ich mir am 2. Tag nach einer überwiegend schattenlosen Wanderung schon eine leichte Hautrötung.

An 2 von 14 Tagen meines Aufenthalts gab es Regen. Der Wind zeigt sich von 2 Seiten: an einem Tag herrschte der Calima, ein heißer trockener Wind aus der Sahara, von wo er auch Sand über die Insel verteilt. An meinem letzten Tag peitschte dann ein heftiger Wind von der See das Meer auf. Zeitweilig musste dann die Uferpromenade gesperrt werden, weil hohe Wellen über die Ufermauern schwappten und dabei vom Strand Steine bis zur Melonengröße auf den Asphalt schleuderten.

Obwohl Gomera ‚nur‘ die zweitkleinste der sieben kanarischen Hauptinseln ist, endete meine Zeit hier mit der Erkenntnis, dass es noch viel mehr zu entdecken gibt.

Udo Slawiczek

6 Gedanken zu „Gomera – Kurven, Sonne, Wind und Freiheit“

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