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Am 8. Mai wird in der Kulturkirche der Gemeinde Altengottern in Thüringen zum Thema 70 Jahre Endes des 2. Weltkriegs der Gottesdienst mit einer Fotoausstellung „Der Tod des Pfarrersohnes“ eröffnet.
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Hans Gerß, geboren 1919, war der Liebling der Familie, Hahn im Korb seiner drei Schwestern und für seinen Humor bekannt. Sein Vater, Walter Gerß, war bereits vor dem 2. Weltkrieg Pfarrer im thüringischen Altengottern. Er galt als äußerst streng, mit großer innerer Härte und galt vielen als ungerecht. Im Dorf war er eher gefürchtet als geachtet, wenn er im sonntäglichen Gottesdienst jeden einzelnen Namen derer vorlas, die nicht teilnahmen. Seine Frau galt als hilfsbereite, liebende Seele und wurde von allen über die Maßen geschätzt, weit über ihren Tod hinaus. Oft stellte sie sich schützend vor die Kinder, wenn der Vater wieder über die Strenge schlug.
Politisch engagierte man sich nicht und war eher konservativ und rückwärtsgewandt. Wahrscheinlich war man eher froh, dass ein starker Mann wie Adolf Hitler endlich mit dem Chaos der Weimarer Republik ein Ende machte. Pfarrer Walter Gerß zog sich in seine religiösen Studien zurück, die Dorfgeschichte oder die Ahnentafel.
Angepasst in den Krieg
Und so war die Entwicklung zwangsläufig, dass Sohn Gerß sich der politischen Situation anpasste. Ein Foto zeigt ihn als Akteur bei der Hitler-Jugend, die er als Tambour – offenbar recht stolz – anführte. Und schließlich folgte er wie viele dem Führerbefehl, und zog als Fähnrich in den Krieg, für „Tapferkeit“ später mit den Eisernen Kreuz ausgezeichnet und anderen Ehrungen.
Fotos beschreiben seine Aktivitäten in der Nähe von Minsk. Auf der Rückseite der Familienfotos sind Bemerkungen zu lesen wie: „Das zerstörte Minsk“, „Ein Heldenfriedhof mit einem Oberst und 83 Kameraden“, „Angriff auf das Dschungelgebiet des Don“, „So wirken unsere Flieger auf Fabriken“ oder „Widerstandsnester werden ausgeräuchert“. Kein Hinweis darauf, das dieser grausame Krieg furchtbare menschliche Opfer zu Folge hatte, sich hinter den Zielen eben auch Menschen befanden.
Todesnachricht durch die Schwester
Damals war Tochter Margarethe Gerß beim Arbeitsdienst mit der Verkabelung von Telefongesprächen beschäftigt, als die Nachricht vom Tod des Bruders eintraf. Als sie den Weg des Pfarrhauses hinaufging, wurde sie von ihrer Mutter empfangen, die bereits ahnte was geschehen war. Hans Gerß war schwerstverletzt in ein Lazarett eingeliefert. Er starb im Oktober 1944 in Bregenz, wo er auch begraben liegt.
Und so kam es, dass Pfarrer Walter Gerß den Trauergottesdienst für seinen Sohn abhalten musste. Er stiftete ein Kirchenfenster mit den Initialen seines Sohnes, das heute noch erhalten ist. Eine Gedenktafel auf einem Kriegerdenkmal in Altengottern erinnert an ihn.
Ein ganz anderes Schicksal ist das des Deserteurs Eberhart Tresselt, dessen Geschichte hier nachzulesen ist. An ihn erinnert nur noch eine Stele des Kölner Sozialfriedhofs. (Hans-Dieter Hey)