Berlin: „Stahlhelm ab, Herr Gauck“

Am 13. Dezember zogen 4.000 Demonstranten vor das Schloss Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten Joachim Gauck. „Stahlhelm ab, Herr Gauck“ hieß es. Mit diesem Leitsatz positionierte man sich gegen die neue Doktrin deutscher und westlicher Sicherheitspolitik unter dem Slogan „Neue Macht – neue Verantwortung“ und dem damit verbundenen Großmachtdenken konservativer deutscher Politiker. Der schottisch-gälische Begriff Slogan ist hier wörtlich zu nehmen, er bedeutet nämlich „Feldgeschrei“. Welche Gefahr den Bürgerinnen und Bürgern eigentlich verschwiegen wird: Es handelt sich dabei letztlich um die Ausweitung des Nato-Bereichs, die militärische Durchsetzung von Marktinteressen, der Sicherung von Rohstoffressourcen und von Handelswegen unter Aufgabe des Völkerrechts. Weiter unten mehr!

Täuschend wird dies als „die globale Ordnung mitgestalten“ bezeichnet. Im Zuge dieser Entwicklung war es der Bundesregierung auch passend, mit dem Finger auf Wlademir Putin als einzigem Täter und russischem Underdog im weltweiten Machtpoker zu zeigen, um von der eigenen Verantwortung abzulenken. Wobei nicht verschwiegen werden soll, dass es sich im Falle der Krim eindeutig um eine Annektion durch Russland wider das Völkerrecht gehandelt hatte. Was aber nicht bedeutet, dass „der Westen“ (als Begriff des kalten Krieges) mit gleichen Mitteln Politik betreibt und längst betrieben hatte. Während deutsche Leitmedien gern von Abrüstung schreiben und davon gesprochen wird, dass die Bundeswehr eigentlich nicht einsatzfähig sei, findet längst eine Modernisierung von Kriegswaffen unter Einschluss der Modernisierung von Atomwaffen in der Nato statt, um gemeinsame Machtinteressen durchzusetzen.

Bundespräsident Gauck wird nun vorgeworfen, an dieser Kriegslunte mit zu zündeln. Beispielsweise äußerte er im Juni diesen Jahres: „Und in diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen.“ Doch um Menschenrechte ging es nie in einem Krieg. Sie dienten immer als vorgeschobene Argumente, um moralisch die Kriegsbereitschaft eines Volkes zu erhöhen. Bereits im Januar meinte Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz sogar, dass Deutschland sich hätte „früher, entschiedener und substanzieller einbringen“ können. Gemeint war von ihm war auch hier der Kriegseinsatz. Deutschland ist dabei, das Vertrauen, das es in der Welt genießt, zu verspielen – vor allem auch im Falle Russlands. Deutschland sollte sich an den Bundespräsidenten Gustav Heinemann erinnern, was dieser zur Vertrauensbildung einst weise sagte: „Dieser Aufgabe sind alle Machtmittel unterzuordnen – die zivilen und die militärischen“ und die Bundesregierung täte gut daran, sich der gegenwärtigen Entwicklung entgegen zu stellen.

Die Demonstrationsteilnehmer forderten eine Beendigung der Kriegsretorik, eine neue Politik der Vertrauensbildung und den Rücktritt von Gauck. Und noch ein Satz zum Schluss, an den man denken sollte: Geographisch und historisch ist uns Russland näher als die USA. Und wir müssen einfach wissen, dass wir den Amerikanern im weltweiten Machtpoker letztlich völlig egal sind. Hinsichtlich dessen sollte Deutschland seine Machtallüren überdenken. (Hans-Dieter Hey)

 

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