Erinnerungskultur: Ernst Thälmann zum 135. Geburtstag

Am 17. April erinnerte Hans Bauer in Berlin an den Geburtstag von Ernst Thälmann vor 135 Jahren. Er war Politiker in der Weimarer Republik von 1924 bis 1933, erfolgreicher Revolutionär, wirkmächtiger KPD-Vorsitzender, großer Arbeiterführer und Führer des Roten Frontkämpferbundes, Kämpfer gegen den Faschismus, Ehrensoldat der „Roten Armee“, dem zu Zeiten der DDR mit großer kommunistischer Erzählung als „Faust der Nation“ gehuldigt wurde. Doch Thälmann war bei Linken auch umstritten. Mehr hier!

 Zur Pflege der Erinnerungskultur sei auf den Vortrag von Hans Bauer vom Samstag verwiesen. Ernst “Teddy“ Thälmann wurde 1933 von den Nazis verhaftet, gefoltert und nach Bautzen überführt. Am Abend des 17. August 1944 wurde der berühmte kommunistische Führer in „Geheimer Reichssache“ auf besonderen Befehl Adolf Hitlers („Thälmann: Ist zu exekutieren“) im Konzentrationslager Buchenwald erschossen.

Nachlässige Ermittlungsarbeit

Die Bundesrepublik machte es sich nach dem II. Weltkrieg leicht, mit „nachlässiger“ Ermittlungsarbeit Naziverbrechen zu verfolgen, denn viele der alten Nazi-Richter waren mit Hilfe von Konrad Adenauer wieder in Amt und Würden gekommen. Erst 1962 begann in der Kölner „Zentralstelle im Lande Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen in Konzentrationslagern“ die Aufklärung.

Aufgrund einer Anzeige seiner Witwe Rosa Thälmann und Unterstützung des DDR-Prozessbevollmächtigten Friedrich Karl Kaul begann man in jenem Jahr am Landgericht Krefeld, die Ermordung Thälmanns aufzuklären. Nach Aussage des ehemaligen KZ-Häftlings und späteren, in der DDR tätigen Rechtsanwalts Marian Zgoda, gab dieser an, gesehen zu haben, wie Thälmann von Gestapo-Beamten und SS-Männern erschossen wurde.

Der ehemalige SS-Oberscharführer, der Lehrer Wolfgang Otto aus Geldern, Leiter des „Kommandos 99“, soll dabei Mittäter gewesen sein. Diese Aussage wurde untermauert durch Richard Schulz, der vor dem KZ Esterwegen/Emsland in das KZ Buchenwald verschleppt wurde. Auch der ehemalige SS-Hauptscharführer, Werner Fricke, bestätigte, dass Otto bei der Erschießung Thälmanns beteiligt gewesen sei. Thälmanns Tochter Irma Thälmann-Gabler hatte in den 1980er Jahren in Krefeld die Anklage gegen Otto geführt. Dabei wurde sie von Heinrich Hannover unterstützt. Otto wurde damals verurteilt.

Durch weitere Ermittlungsarbeit des Anwalts Friedrich Karl Kaul wurde erst 1976 der Kölner Oberstaatsanwalt darauf aufmerksam gemacht, das zentrale Mittäterschaft auch einen gewissen Pütz (leitender Kommunismus-Sachbearbeiter im Reichssicherheitshauptamt, Referat IV/ A1a) – bei der Tatvorbereitung träfe. Der hatte als Schreibtischtäter die Legende des Bombenangriffs, mit dem Thälmann angeblich zu Tode kam, in die Welt gesetzt. Lange sah die Kölner Staatsanwaltschaft trotz belastender Beweise keinen Anlass, Wolfgang Otto anzuklagen, weil der Hauptzeuge Zgoda inzwischen verstorben war. Der Zeuge Fricke war wegen des fortgeschrittenen Alters „aussageuntüchtig“. Den Rest erledigte die überlange Verfahrensdauer.

Zur Begründung verwies das Frankfurter Landgericht auf die “Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten”. Doch letztlich war es eine Verteidigung des kapitalistischen Systems zu Lasten des Völkerrechts (Heinrich Hannover), denn der Kriegsverbrecher Otto war 1952 von einem amerikanischen Militärgericht vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Erst durch Klageerzwingung durch Thälmanns Tochter Irma Thälmann-Gabler wurde 1982 in Krefeld die Anklage gegen Otto fortgesetzt. Dabei wurde sie von Heinrich Hannover unterstützt. Otto wurde damals verurteilt.

Thälmann nicht unumstritten

Bis heute gilt der aus einer Arbeiterfamilie stammende Thälmann, der mit „der marxistischen Terminologie und mit Fremdwörtern immer zu kämpfen“ hatte (Ruth Fischer) als KPD-Vorsitzender als nicht unumstritten. Ihm wird vorgeworfen, sich damals allzusehr der Sowjetunion und damit der Stalin-Diktatur untergeordnet zu haben und der sogar „die Gegner des Sowjet-Systems sehr oft erfolgreich bekämpfte“, hieß es in einer Schrift.

Diese deutsche Anbindung an die Bolschewisierung stieß auf den kompromisslosen Protest von Rosa Luxemburg und anderen. Die Konfliktlinie ging auch um die Beteiligung am Parlamentarismus. Gegen Positionen zu einer eigenständigen Politik in Deutschland setzte Thälmann den Kurs des Anschlusses der KPD an die Komintern durch. Damit folgte die KPD vorbehaltlos den politischen Vorgaben der Politik der Sowjetunion unter Stalin. Die “Sozialfaschismusthese” gegenüber der Sozialdemokratie war ein schwerwiegender Fehler dieser Politik, da dadurch ein frühzeitiges Bündnis gegen den aufkommenden Faschismus zu Beginn der 1930er Jahre nicht möglich wurde. Doch es war zu spät, als diese These von der KPD revidiert wurde. Nach dem Nichtangriffspakt zwischen Stalin und Hitler im August 1939 hoffte Thälmann auf einen Gefangenenaustausch in die Sowjetunion, der ihm durch Stalin verweigert wurde.

Leider war das Spannungsverhältnis zwischen Ernst Thälmann und Rosa Luxemburg bis in die Zeit der stalinistisch geprägten DDR virulent. „Die KPD als Partei Rosa Luxemburgs, Karl Liebknechts, Paul Levis, Heinrich Brandlers, August Thalheimers kam in der SED-Geschichtspolitik nicht wirklich, es sei denn als Ikonographie, vor. Das stalinistische Luxemburgismus-Verdikt, seit 1924 in KPD und Komintern virulent, wurde ab 1928/1929 dominant“, und zwar als „latentes Linkssektierertum“. (ND 13.01.2007) Die äußerst komplizierten Zusammenhänge lassen sich in Kürze kaum zusammenzufassen. (18.04.2021, Hans-Dieter Hey, Fotos: Rudi Denner)

Ergänzende Informationen:

Rede von Egon Krenz in Ziegenhals

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