Variablen setzten Beginn
Der Gereonshof in Köln ist ein kleiner, heller, autofreier Platz und lädt mit Springbrunnen und ein paar schattenspendenden Bäumen zum Durchflanieren und Verweilen ein. Was bis vor einigen Wochen vielen Kölnern nicht bewusst war: das Areal ist ein Privatgrundstück – und das mit dem Verweilen war deshalb zeitweise in Frage gestellt.
Ein Beispiel, das auch in anderen Städten, z. B. in Berlin und Hamburg, aufgetreten ist: die Privatisierung städtischen Bodens. In früheren Zeiten führte eine kleine Straße gleichen Namens durch das Areal. Die wuchtige Bebauung rund um den Gereonshof samt Bodengestaltung stammt aus den 1950er Jahren und war bis 2006 Standort des Gerling-Versicherungskonzerns. Nach dessen Übernahme durch den HDI und anschließendem Umzug in die alten Deutzer Messehallen wurde der Komplex am Gereonshof in eine Luxuswohnungsanlage umgebaut.
Im städtischen Grundbuch ist ein Wegerecht garantiert: durchgehen ist also erlaubt, streng genommen nur auf der Breite von 10 Metern, was dem früheren Straßenverlauf entspricht. Wer sich aber am Brunnen niederließ, wurde nach einer Zeit der Tolerierung zu Anfang des Jahres durch einen von der Eigentümergemeinschaft angeheuerten Sicherheitsdienst verscheucht. Bis die Stadt nachlegte und auch eine rechtliche Grundlage für das Verweilen präsentierte, so dass der Platz nun wieder von Passanten in voller Breite genutzt werden kann.
Aber auch das hat seine Tücken. So wollen die Eigentümer neuerdings den Genuss von Alkohol und das Befahren mit Skateboards verbieten. Auch den Leitern einer Demonstration, die auf ihrem Weg hier durch ziehen wollten, wurde dies von der Polizei mit Verweis auf den Privatgrund verwehrt.
Verschiedene Initiativen, darunter „Wohnenwagen“, „Recht auf Stadt“ und Vertreter von Bündnis 90/Grüne initiierten am 07.08.2020 am Rand des Gereonshofs einen temporären Pop-up-Biergarten, um die Öffentlichkeit auf die Tendenz zur Privatisierung öffentlicher Güter und der damit verbundenen Frage „Wem gehört die Stadt?“ aufmerksam zu machen. Hintergrund dafür ist das im Zuge der Grundstücksspekulation und Gentrifizierung immer drängender werdende Problem, bezahlbaren Wohnraum in den Großstädten zu sichern.
Kalle Gerigk, Aktivist bei „Recht auf Stadt“ und vor 6 Jahren durch eine Zwangsräumung wegen Eigenbedarf selbst wider Willen zur Symbolfigur der Gentrifizierung geworden, fungierte als stilgerecht gekleideter Köbes (Kölner Bezeichnung für einen Brauhauskellner) und stieß unter Gleichgesinnten und Passanten mit einem erhalten gebliebenen Bierglas der längst untergegangenen Gereon-Brauerei an. „Die Antwort auf die Frage ‚wem gehört die Stadt‘ kann nur lauten: ‚Uns allen!‘ Und was hier an Klarstellungen beim Recht auf die Nutzung versäumt worden ist, darf sich nie wiederholen!“, so Gerigk.
Im coronagerechten Abstand stimmten die Teilnehmer dann noch unter Klarinetten- und Geigenbegleitung den Bläck-Fööss-Klassiker „In unserem Veedel“ an. Von der Hausverwaltung am Platz blieb die Gruppe unbehelligt.
Udo Slawiczek
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9 Gedanken zu „Der Gereonshof oder: Wem gehört die Stadt?“
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