Variablen setzten Beginn
Zu einer Demonstration gegen Polizeigewalt am 4. Juli 2014 in Münster hatte das Münsteraner Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ unter der Überschrift: „Polizeigewalt muss Konsequenzen haben! Solidarität mit den Betroffenen“ aufgerufen. Ungefähr 250 Menschen nahmen daran teil, um ihrer Empörung zu einem Vorgang aus dem Jahr 2012 auszudrücken. Die Demonstration verlief vom Stadthaus 1 über Salzstraße, Wolbecker Straße und Hansaring zum Hansaplatz und war zunächst friedlich.
Warum wiederholt sich Polizeigewalt in Münster?
Ein junger Mann aus der Antifa-Szene, der offenbar durch eine halbherzige Vermummung die Polizei mehrfach provozierte, wurde nach dem sogenannten „Vermummungsverbot“ festgenommen. Es stellt sich die Frage, ob das wirklich notwendig war und ob man sich provozieren lassen muss. Der junge Mann dürfte allerdings zuvor schon mehrfach ohne Vermummung von der Polizei wahrgenommen worden sein. Fünf durchtrainierte Polizisten warfen sich plötzlich auf ihn, wobei offenbar die Verhältnismäßigkeit der Mittel keine Rolle spielte. Der Festgenommene blutete und schrie. Danach umringten weitere Polizisten die Gruppe, um das Geschehen vor Beobachtern abzuschotten. Später wurde der Mann zwischen zwei Bullis verbracht. Auch hier wurde er durch mehrere Polizisten auf den Platz gedrückt. Er verlangte nach deren Dienstnummern, die ihm verweigert wurden. Und schließlich kam es noch zu Gerangel beim Abtransport. Aus Sicht von Beobachtern hatte die Polizei durch die gewaltsame Festnahme unnötig provoziert, was nach Bekunden eines Vertrauenspolizisten offenbar auch auf Anweisung geschah.
Die Vorgeschichte
Am 3. März 2012 setzte die Polizei einen Aufmarsch von 300 Neonazis durch das Rumphorstviertel im Norden Münsters gegen den entschlossenen Protest von 7000 Menschen mit aller Härte durch. Einem der Demonstranten wird diese Demonstration in äußerst unangenehmer Erinnerung bleiben: Das Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ berichtete: „In den Mittagsstunden entdecken mehreren Polizist_innen der 17. Bereitschaftspolizeihundertschaft (BPH) aus Münster an der Stettiner Straße einen jungen Mann, den sie verdächtigen, einige Zeit zuvor eine Straftat begangen zu haben. Die Gruppe entschließt sich, den Mann vor Ort in Gewahrsam zu nehmen. In einem für sie günstigen Moment stürmen sie los, rennen ihn mit vollem Körpereinsatz um und bringen ihn brutal zu Boden. Ein Polizist schlägt dabei mehrfach auf den Demonstranten ein. Der Demonstrant verliert für einen längeren Zeitraum das Bewusstsein. Er wird vor Ort von einer Notärztin aus den Kreisen der Demonstrant_innen erstversorgt, von Rettungskräften intubiert und schließlich in die Intensivstation eingeliefert. Erst am Abend bessert sich sein Zustand, er erleidet durch den Übergriff der Polizei ein Schädel-Hirn-Trauma.“
Verfahren erneut eingestellt
Zuerst wurde das Strafverfahren gegen den prügelnden Polizisten von der Staatsanwaltschaft eingestellt – trotz vieler belastender Zeugenaussagen, so das Bündnis. Der Polizist, der die Schläge zugegeben hat, habe aus „Notwehr“ gehandelt. Und schließlich ist die Polizei als einzige staatliche Institution mit dem staatlichen Gewaltmonopol ausgestattet, da schaut man als Staatsanwaltschaft und somit vorgesetzte Dienststelle eben auch mal nicht so genau hin.
Die Anwältin des Betroffenen leitete daraufhin ein Klageerzwingungsverfahren beim Oberlandesgericht in Hamm ein. Mit Erfolg: Das Oberlandesgericht hob die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft auf und ordnete an, Anklage wegen Körperverletzung im Amt gegen den verdächtigen Polizisten zu erheben.
Statt aber Anklage gegen den Polizisten zu erheben, stellt die Staatsanwaltschaft im Juni 2014 das Verfahren erneut ein. Diesmal gemäß § 153 a der Strafprozessordnung, denn der Fall weise nur eine „geringe Schwere der Schuld“ auf.
„Ernsthafte Konsequenten hat der Polizist somit nicht zu fürchten, er muss lediglich 750 Euro an den Betroffenen sowie 750 Euro an einen gemeinnützigen Verein zahlen“, so das Bündnis. Rechtsmittel, um gegen diese Entscheidung vorzugehen, existieren nicht.
Kein Einzelfall, sondern ein strukturelles Problem
Im Aufruf heißt es zum Vorgehen der Polizei und Staatsanwaltschaft: „Wir wissen, dass es die Funktion der Polizei ist, die herrschende Ordnung mit allen notwendigen Mitteln, auch mit Gewalt, aufrecht zu erhalten. Dass Polizeiübergriffe solche schweren Verletzungen verursachen wie am 3. März 2012 geschehen, ist allerdings auch für uns nicht alltäglich. Und es ist vor allem nichts, was wir einfach so hinnehmen werden! […] Uns empört die Dreistigkeit, mit sich der die Staatsanwaltschaft hier über die Feststellung des Gerichtes und der Öffentlichkeit, dass hier der begründete Verdacht der ‚Körperverletzung im Amt‘ besteht, hinwegsetzt. Dieses Vorgehen ist ein Signal an alle prügelnden Polizist_innen, dass über sie die Hand gehalten wird und dass ein Fehlverhalten keinerlei ernsthafte Konsequenzen zur Folge hat. Diese praktizierte Straffreiheit ist der Nährboden, auf dem weitere Polizeigewalt gedeiht.“ Von anderen Demonstrationen – auch aus anderen Städten – höhrt man oft ähnliches. Und so kann man zu Recht vermuten, dass dies keine Einzelfälle sind, sondern ein strukturelles Problem. (Jan Große Nobis)
Zu einer Demonstration gegen Polizeigewalt am 4. Juli 2014 in Münster hatte das Münsteraner Bündnis "Keinen Meter den Nazis" unter der Überschrift: "Polizeigewalt muss Konsequenzen haben! Solidarität mit den Betroffenen" aufgerufen. Ungefähr 250 Menschen nahmen daran teil, um ihrer Empörung zu einem Vorgang aus dem Jahr 2012 auszudrücken. Die Demonstration verlief vom Stadthaus 1 über Salzstraße, Wolbecker Straße und Hansaring zum Hansaplatz und war zunächst friedlich.
Warum wiederholt sich Polizeigewalt in Münster?
Ein junger Mann aus der Antifa-Szene, der offenbar durch eine halbherzige Vermummung die Polizei mehrfach provozierte, wurde nach dem sogenannten "Vermummungsverbot" festgenommen. Es stellt sich die Frage, ob das wirklich notwendig war und ob man sich provozieren lassen muss. Der junge Mann dürfte allerdings zuvor schon mehrfach ohne Vermummung von der Polizei wahrgenommen worden sein. Fünf durchtrainierte Polizisten warfen sich plötzlich auf ihn, wobei offenbar die Verhältnismäßigkeit der Mittel keine Rolle spielte. Der Festgenommene blutete und schrie. Danach umringten weitere Polizisten die Gruppe, um das Geschehen vor Beobachtern abzuschotten. Später wurde der Mann zwischen zwei Bullis verbracht. Auch hier wurde er durch mehrere Polizisten auf den Platz gedrückt. Er verlangte nach deren Dienstnummern, die ihm verweigert wurden. Und schließlich kam es noch zu Gerangel beim Abtransport. Aus Sicht von Beobachtern hatte die Polizei durch die gewaltsame Festnahme unnötig provoziert, was nach Bekunden eines Vertrauenspolizisten offenbar auch auf Anweisung geschah.
Die Vorgeschichte
Am 3. März 2012 setzte die Polizei einen Aufmarsch von 300 Neonazis durch das Rumphorstviertel im Norden Münsters gegen den entschlossenen Protest von 7000 Menschen mit aller Härte durch. Einem der Demonstranten wird diese Demonstration in äußerst unangenehmer Erinnerung bleiben: Das Bündnis "Keinen Meter den Nazis" berichtete: "In den Mittagsstunden entdecken mehreren Polizist_innen der 17. Bereitschaftspolizeihundertschaft (BPH) aus Münster an der Stettiner Straße einen jungen Mann, den sie verdächtigen, einige Zeit zuvor eine Straftat begangen zu haben. Die Gruppe entschließt sich, den Mann vor Ort in Gewahrsam zu nehmen. In einem für sie günstigen Moment stürmen sie los, rennen ihn mit vollem Körpereinsatz um und bringen ihn brutal zu Boden. Ein Polizist schlägt dabei mehrfach auf den Demonstranten ein. Der Demonstrant verliert für einen längeren Zeitraum das Bewusstsein. Er wird vor Ort von einer Notärztin aus den Kreisen der Demonstrant_innen erstversorgt, von Rettungskräften intubiert und schließlich in die Intensivstation eingeliefert. Erst am Abend bessert sich sein Zustand, er erleidet durch den Übergriff der Polizei ein Schädel-Hirn-Trauma."
Verfahren erneut eingestellt
Zuerst wurde das Strafverfahren gegen den prügelnden Polizisten von der Staatsanwaltschaft eingestellt - trotz vieler belastender Zeugenaussagen, so das Bündnis. Der Polizist, der die Schläge zugegeben hat, habe aus „Notwehr" gehandelt. Und schließlich ist die Polizei als einzige staatliche Institution mit dem staatlichen Gewaltmonopol ausgestattet, da schaut man als Staatsanwaltschaft und somit vorgesetzte Dienststelle eben auch mal nicht so genau hin.
Die Anwältin des Betroffenen leitete daraufhin ein Klageerzwingungsverfahren beim Oberlandesgericht in Hamm ein. Mit Erfolg: Das Oberlandesgericht hob die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft auf und ordnete an, Anklage wegen Körperverletzung im Amt gegen den verdächtigen Polizisten zu erheben.
Statt aber Anklage gegen den Polizisten zu erheben, stellt die Staatsanwaltschaft im Juni 2014 das Verfahren erneut ein. Diesmal gemäß § 153 a der Strafprozessordnung, denn der Fall weise nur eine „geringe Schwere der Schuld" auf.
"Ernsthafte Konsequenten hat der Polizist somit nicht zu fürchten, er muss lediglich 750 Euro an den Betroffenen sowie 750 Euro an einen gemeinnützigen Verein zahlen", so das Bündnis. Rechtsmittel, um gegen diese Entscheidung vorzugehen, existieren nicht.
Kein Einzelfall, sondern ein strukturelles Problem
Im Aufruf heißt es zum Vorgehen der Polizei und Staatsanwaltschaft: "Wir wissen, dass es die Funktion der Polizei ist, die herrschende Ordnung mit allen notwendigen Mitteln, auch mit Gewalt, aufrecht zu erhalten. Dass Polizeiübergriffe solche schweren Verletzungen verursachen wie am 3. März 2012 geschehen, ist allerdings auch für uns nicht alltäglich. Und es ist vor allem nichts, was wir einfach so hinnehmen werden! [...] Uns empört die Dreistigkeit, mit sich der die Staatsanwaltschaft hier über die Feststellung des Gerichtes und der Öffentlichkeit, dass hier der begründete Verdacht der 'Körperverletzung im Amt' besteht, hinwegsetzt. Dieses Vorgehen ist ein Signal an alle prügelnden Polizist_innen, dass über sie die Hand gehalten wird und dass ein Fehlverhalten keinerlei ernsthafte Konsequenzen zur Folge hat. Diese praktizierte Straffreiheit ist der Nährboden, auf dem weitere Polizeigewalt gedeiht." Von anderen Demonstrationen - auch aus anderen Städten - höhrt man oft ähnliches. Und so kann man zu Recht vermuten, dass dies keine Einzelfälle sind, sondern ein strukturelles Problem. (Jan Große Nobis)