DDR vor 70 Jahren gegründet – bis heute versagte Würde und Anerkennung


Variablen setzten Beginn
Variablen setzten Beginn

Wichtig zu erinnern ist, dass die DDR nach dem II. Weltkrieg das mehrfache an Reparationsleistungen der BRD leisten musste – inclusive Demontagen, Beutegut und Beschlagnahmung aller Privatkonten zu Gunsten der UDSSR. Bis 1961 verlor die DDR 20 Prozent ihrer Bevölkerung durch Übersiedlung und Flucht in die BRD. Heute hat sie den Bevölkerungsstand von 1904. Während die BRD den Marschallplan und mächtige investorische Unterstützung zum Beispiel aus den USA hatte, ging die DDR leer aus. Dies macht die völlig ungleichen Startchancen für die Entwicklung deutlich. Dennoch stand das Wirtschaftswachstum dem der BRD kaum nach. 

Bis heute müssen sich die Menschen das westmediale Gekreische von den „Jammerossis“, von der mangelnden Produktivität in den Betrieben und 40 Jahren Misswirtschaft anhören – und das nach 30 Jahren brutalen strukturellen BRD-Imperialismus. Beschreibungen der genannten Art sind so unfair wie falsch. Nach wie vor wird den Menschen im Osten die Anerkennung ihrer Lebensleistung mit der entsprechenden westlichen Arroganz versagt. Weiter unten mehr!

Selbstgemachtes Wirtschaftswunder eines Dorfes

In Thüringen, 12 Km Luftlinie von geographischen Mitte Deutschlands entfernt, liegt das über 1.200 Jahre alte Dorf Altengottern, 1.012 Einwohner. Der Ort war vorwiegend landwirtschaftlich geprägt und früher ein armes Weberdorf. Nehmen wir es als kleines Beispiel, als 1949 die Wende kam.

Mit Gründung der DDR vor 70 Jahren, am 7. Oktober 1949, zog der Sozialismus staatlicher Prägung ein. Das Dorf entwickelte sich fast aus eigener Kraft. Während in der BRD das mit fremder Kapitalkraft unterstützte „Wirtschaftswunder“ gefeiert wurde, generierte die Bevölkerung der DDR und auch in Altengottern mit Hilfe ihrer Kreativität, ihres Erfindungsgeistes und ihrer Einsatzbereitschaft ihr eigenes Wirtschaftswunder. Die Ausgangsbasis zwang zu unvergleichlichem Zusammenhalt und Solidarität untereinander, die Markenzeichen des Sozialismus waren und auf die viele im Dorf bis heute stolz sind.

Am Ort gab es Landwirtschaft, Gartenbau und Tierproduktion. 1974 wurde in der MTS (Motoren- und Traktorenstation) und mit der LPG „Karl Marx“ die erste deutsche Kartoffellegemaschine entwickelt, patentiert und im gleichen Jahr auf der Leipziger Messe präsentiert. „Das Volk“ berichtete 1974: „Frauen haben’s nun leichter!“. Seit dem Jahr 1976 half auch eine Steckzwiebeldrillmaschine dabei. Im „Geschichtskabinett“ des Dorfes wurde die erfolgreiche Geschichte der LPGs „Karl Marx“ und „Große Wende“ aufgearbeitet. Bereits 1953 bis 1954 wurde die landwirtschaftliche Produktion um 28 Prozent, bis 1955 um 45 Prozent gesteigert. Und es ging weiter so. Ein Bewohner: „Wäre die LPG nicht gekommen, mancher ginge heute noch in Strümpfen“.

Arbeit gab es in der DDR immer

Tausende „NAW-Stunden“ des Nationalen Wiederaufbaus wurden freiwillig geleistet, z.B. für den Sportplatz und das Vereinsgebäude, für die Kinderkrippe, den Kindergarten oder für die sanitären Anlagen der Polytechnischen Oberschule. Heute würde man das modern Commons-Einsatz nennen, damals war es die „Mach-Mit-Bewegung“ zum Wohle der ganzen Gemeinde. Heute gibt es auch keine Schule mehr im Ort.

1950 bis Ende der 1960er Jahre wurden noch sechs Geschäfte, Milchläden, Einmachgeschäfte und drei Bäckereien geführt. Seit 1978 gab es eine Kaufhalle – „quadratisch, praktisch, gut“ und werbefrei, mit „WTB“ – Waren des täglichen Bedarfs. Sie wurden Opfer westdeutscher Einkaufsketten. Seit 1998 gibt es nur eine Fleisch- und Wurstwaren-Verkaufsstelle mit regionalen Thüringer Spezialitäten. Sonst kann man im Dorf nichts mehr kaufen.

Seit 1968 wurden für den VEB „Pupina“ (die berühmte Waltershausener Puppen- und Spielzeugindustrie) Puppenkleider und ab 1976 der VEB „Mülana“ (Mühlhausen) angeschlossen und Obertrikotagen produziert. Es wurde viel in die „BRD“exportiert. 1990 kam das Ende. Seit 1891 gab es drei Konservenfabriken. Eingemachte Gurken wurden auch in den „Westen“ exportiert. 1991 wurde die letzte Fabrik geschlossen. Sie wurde Opfer des kapitalistischen Wettbewerbswahns. Mit der Abwicklung der DDR durch „Unternehmensberatungen“ und die Treuhand gab es eine unvergleichliche Vernichtungswelle an erarbeitetem Volksvermögen. Von 4 Mio. Arbeitsplätzen blieben 1,2 Mio. Das ging auch in Altengottern nicht spurlos vorüber.

Es begann ab 1989 erneut eine folgenreiche Abwanderung von Ost nach West. Doch „In der DDR war keine akute Wirtschafts- oder Versorgungskrise der Ausgangspunkt für den politischen Zusammenbruch. Die Mechanik des Zusammenbruchs wurde wesentlich durch die seit Sommer 1989 exponentiell zunehmende Übersiedlung von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik vorangetrieben“, schreibt der Wissenschaftsdienst Berlin.

Kulturbewusst

Am Ort gibt es das wunderschöne Kulturhaus mit Gaststätte, Fest- und Kinosaal, Biergarten und kleiner Freilichtbühne. Früher wurde es zu allen Gelegenheiten gern genutzt. Der VI. Parteitag der SED 1963 forderte größere Anstrengungen, damit vernachlässigte Orte mehr Teilhabe an Kultur erhalten. Das spornte besonders die sehr engagierte Bürgermeisterin Kläre Liebitz (1957-1987, Trägerin der „Klara-Zetkin-Medaille“) an, die bis heute in positiver Erinnerung ist. Seit den 1960er Jahren existierte im Dorf ein Geschichtskabinett, die Dorfakademie, eine Tanzgruppe, Jugendkapelle und -chor, Laienspiel, Sportmöglichkeiten, ein Fotozirkel, der Dorfchor und ein Dorfensemble.

Geblieben sind Fußball, Blaskapelle, ein verwaister Tennisplatz – und die Schützenkompanie. Von vielen wird beklagt, dass der frühere Zusammenhalt dem Egoismuss geopfert wurde. Man hört vor Ort: „Heute ist es so, dass jeder mehr haben will, als der andere“, oder „Heute kämpft jeder gegen jeden“. Inzwischen gibt es im Ort auch keine Gaststätte mehr, um sozialen Austausch und dorfgemeinschaftlichen Zusammenhalt zu pflegen.

Es geht darum, die Würde der Menschen – und viele haben ihr ganzes Leben in der DDR verbracht – anzuerkennen und ihnen für ihre Leistungen die bis heute verweigerte Achtung zu zollen.

Die kleine Fotoauswahl wird gezeigt auf der Veranstaltung „Sozialismus in der DDR“ mit Thomas Kuczynski am 24.09.2019 (ausgerichtet durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW), zur Luxemburg-Liebknecht-Konferenz in Berlin am 11. Januar 2020 und auf dem UZ-Pressefest in Dortmund vom 28. – 29. August 2020. Sämtliche erhaltenen Fotos werden von R-mediabase restauriert und der ,,Volkskundlichen Beratungs- und Dokumentationsstelle“ in Erfurt zur Verfügung gestellt. (19.09.2019, Hans-Dieter Hey, Fotos: Kurt Liebitz, Hans-Dieter Hey)

Ergänzung: Interessant war auch, welche Auswirkungen und Herausforderungen die „Wende“ für die Gewerkschaften und die Linke hatte. Hier ein Interview aus dem Jahre 2008 mit Dr. Wolfgang Uellenberg van-Dawen, damaliger Vorstand des DGB Köln und Mitglied im Vorstand des DGB. 

Ergänzung 2: Hier zum Tod des ehemaligen Verteidigungsministers der DDR, Heinz Keßler.

—–

Die sechs Rollup-Displays der kleinen Ausstellung 200 x 85 cm mit je zwei Fotos des damaligen fotografischen Dorfchronisten Kurt Liebitz sollen der Korrektur mancher Sichtweisen dienen und zur Anerkennung der Lebensleistung der Menschen beitragen. Wir danken ganz herzlich Detlef Liebitz für die Übertragung der Verwertungsrechte an den Fotografien seines Vaters. Die Informationen stammen teilweise aus der Dorfchronik.

ID); foreach($images as $image) { $listofimageids = $listofimageids . "," . $image->ID; } $listofimageids = ''; $preset = ''; #if (is_user_loggd_in) {$preset = c1;} $var = '[justified_image_grid ids=' . $listofimageids . ' preset=c1]'; #$var = '[justified_image_grid preset = c1]'; echo do_shortcode( $var ); ?>

6 Gedanken zu „DDR vor 70 Jahren gegründet – bis heute versagte Würde und Anerkennung“

  1. Pingback: funny987
  2. Pingback: ทุบตึก
  3. Pingback: devops consultancy

Kommentare sind geschlossen.

error: Content is protected !!