Variablen setzten Beginn
In Berlin ging es an diesem Sonntag erneut – wie inzwischen oft – um das Menschenrecht auf Wohnen. Berlin steht für viele Städte. Die politischen Maßnahmen bisher gegen Verteuerungen greifen, wenn überhaupt, zu kurz. Während dessen wird Wohnen immer teurer, weil es um Profite geht. In Berlin mobilisierte erneut das „Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“« zur Großdemonstration, zu der mehrere Tausend Menschen kamen. Jahre zuvor trat man mit dem Slogan „Miethaie zu Fischstäbchen“ auf. Heute hieß es: „Wir haben Enteignungsbedarf“. Weiter hier!
Spekulanten aus dem In- und Ausland können unbehindert auf Häuser und Grundstücke zugreifen, jeder holt sich, was er kann. Vor allem in den Städten wird Wohnraum für viele Menschen immer teurer, vor allem für die, die nicht mit hohen Einkommen oder Vermögen gesegnet sind. In Berlin soll – so die Junge Welt – die rot-rot-grüne Landesregierung „an der Enteignung der Mieterinnen und Mieter“ basteln und die Obergrenze für die Mieten der landeseigenen Wohnungsgesellschaften aufheben. „Bei Wiedervermietungen sollten die ortsüblichen Vergleichsmieten sogar um bis zu zehn Prozent überschritten werden dürfen.“ Berlin müsse aber – verlangt der Mieterverein – zu seinem Mietendeckel stehen. Das vom Bundesverfassungsgericht gestoppte Gesetz zum Mietendeckel hat Sprengkraft.
„Alle machen mit und keiner kann sich wehren!“
In Köln, der viertgrößten Stadt Deutschlands, wird die Wohnungssuche als „furchtbar“ beschrieben. In einem Portal schreibt ein Betroffener: „Ich habe nicht viel Geld, ich habe keinen Vollzeitjob…ich bin auf dem Immobilienmarkt nicht gern gesehen.“ Dieser Situation sind inzwischen auch Gutbetuchte ausgeliefert. Denn die Angebote liegen deutlich neben der Nachfrage – in Menge und Preis, die Auswahlkriterien der „Immobilienhaie“ brutal. Inzwischen haben selbst Unternehmen erkannt, dass ihnen das sein Personal davon läuft, weil es keine Wohnung bekommen kann. Für Familien ist es noch schwieriger. Nach Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes mussten 2019 im Durchschnitt 26 Prozent des Einkommens für das Wohnen ausgegeben werden. Davon gelten fast 12 Millionen Menschen als überbelastet, weil sie mehr als 40 Prozent ihren Einkommens berappen müssen. Die Preissteigerungen für den Lebensunterhalt stiegen zudem ebenfalls und verschärfen das Problem.
Auch Gewerbe leidet unter den Mietbedingungen
Bei den Wohnungsstatistiken wird gern vergessen, dass es den Geschäften in den Stadtzentren ähnlich geht. Reihenweise müssen sie schließen, weil sie die horrenden Mieten nicht mehr aufbringen können. Die leerer werdenden Innenstädte zeugen davon. Die Situation hat sich durch die Corona-Pandemie noch deutlich verschärft. Und so finden sich Kleinunternehmer, Gewerbetreibende, Einzelhandelsgeschäfte oder Kioske mit den Wohnungsmietern unvermittelt in der gleichen prekären Situation. Und der Druck auf die Immobilienwirtschaft steigt, der Ruf nach Überführung von Grund und Boden und Gebäudeeigentum in Gemeinwohl wird lauter. Es ist eben ein weiteres Beispiel für die blinde Gewalt des Kapitals, das sich den Zugriff auf die Boden- und Wohnraummärkte (auch durch Gesetze) erzwungen hat und erzwingt und damit Wohnraumnot zum profitablen Kapitalinteresse gemacht hat. Mit rein kosmetischen Korrekturen ist dem wohl nicht mehr beizukommen. (23.05.2021, Hans-Dieter Hey, Fotos: Rudi Denner)
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