100 Jahre Heinrich Böll: Brief an Rene Böll

In diesem Jahr wäre Heinrich Böll 100 Jahre geworden. In seinem offenen Brief an René Böll, einen der Söhne Heinrich Bölls erinnert Rainer Kippe von des Sozialistischen Selbsthilfe Köln-Mühlheim, wie er seinen Einsatz gegen Obdachlosigkeit damals, in den 1970ern, erlebt hat: „Unsere Häuser wurden geschlossen, die obdachlosen Jugendlichen waren wieder vogelfrei, wir Betreuer wurden vors Strafgericht gestellt, aus den Helfern wurden Gejagte.“

Und er erinnert an den großen Humanisten Heinrich Böll, der die SSM mit unterstützt hat: „Diese zutiefst moralische, gleichermaßen politische und soziale Haltung Ihres Herrn Vater hat die Nachkriegsrepublik entscheidend mit geprägt und ihr so etwas gegeben wir ein praktisches Gewissen, jenseits von leeren Gesten und Sprechblasen.“ Das erinnert, als hätte sich bis heute nichts getan. Mehr hier! (Hans-Dieter Hey)

Rückblick: Das Jahr 1974 brachte fast das Aus für den SSK, aus dem auch der SSM später hervorging. Die Stadt Köln, die heutzutage tatsächlich an Archiveinsturz, aufgestauten Brückenrenovierungen, u.a. zu zerbrechen droht, behauptete damals, sie würde daran zerbrechen, wenn sie weiterhin geflohene Heimzöglinge aus der ganzen BRD aufnehmen würde. Ihre Kapazitäten wären begrenzt. Mehr als 1.000 „Zöglinge“ wurden zu der Zeit vom SSK in Absprache und mit finanzieller Unterstützung von der Stadt Köln in bereitgestellten Häusern vor der Rückführung in ihre damals gefängnisähnlichen Heime geschützt. Kein einziger sollte noch dazu kommen.

Kapazitätsbgrenzung no, Menschenrecht first war dagegen das unantastbare Motto der Studenten und Studentinnen im SSK, die mit den ehemaligen „Zöglingen“ in den Häusern lebten. Anstatt dabei zusehen zu müssen, wie von nun an hilfesuchende Juegendliche wieder ins Elend zurückgeschoben würden, setzten sie ihre tatkräftige Humanität dagegen: „Das Elend kennt keine Kapazitätsbegrenzung“.

Das hillige Köln reagiert gar nicht hillig. Es folgten Verbot und Verfolgung des SSK und die Auflösung der Schutz-Unterkünfte.

In seinem Brief an René Böll (siehe unten) schildert Rainer Kippe (SSK und SSM-Aktivist) die äußerst kritische Situation damals. Heinrich Böll würdigend bedankt er sich bei der Erbengemeinschaft für die damalige fast unglaublich große Hilfe, die dem SSK in größter Not zukam. Durch Heinrich Böll’s öffentlichen Appell: „Helft dem SSK“ und seinen Kauf eines Hauses konnte die Selbsthilfegruppe große Unterstützung erfahren und das Ruder herumreißen. Die Studenten und Studentinnen und Jugendlichen erwirtschafteten ihren Lebensunterhalt von da an selbst als selbstverwaltete Firma und setzten sich noch konsequenter für Zöglinge, für Psychiatrie-Patient*innen, für Obdachlose und andere ausgegrenzte Menschen fort.

Der SSM hat diese „Tradition“ in Mülheim weitergeführt und noch weiter ausgebaut. Die Düsseldorfer Straße reicht inzwischen längst nicht mehr aus. Neuer Wohnraum tut not. Den kann die Gruppe sich nun mit Hilfe des Fördervereines MachMIt und mensch höre und staune mit Investitionsförderung der Stadt Köln Am Faulbach 2 neubauen. So trägt es nun gar große Früchte, was Heinrich Böll mit anderen vor mehr 40 Jahren gesät haben.

Persönlich möchte ich noch sagen, dass Heinrich Böll 1963 mit seiner kurzen »Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral« eine harmlos daherkommende, tatsächlich aber sehr, sehr tiefgehende, beißende Kapitalismuskritik geschrieben hat. Es war mir eine große Freude, sie auch in der monatlich erscheinenden „CONTRASTE-Zeitung für Selbstorganisation“ veröffentlichen zu können, wo ich als ehrenamtlicher Redakteur mitmache. (Heinz Weinhausen, SSM)

Aktuelle Fotos der Baustelle der SSM hier!

Heinrich Bölls Anekdote zur „Hebung der Arbeitsmoral“ hier!

Würdigung Bölls durch den Filmemacher Volker Schlöndorf hier!

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