Albert Speer und die Bonner Republik

Er mimte den reumütigen Sünder, leugnete aber jede tiefere Verstrickung in die NS-Verbrechen. Statt dessen tischte Albert Speer, führender Architekt und später Rüstungsminister des Dritten Reiches, im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess von 1946 das Märchen vom unpolitischen Baumeister und von Hitler Verführten auf und kam so mit 20 Jahren Gefängnis davon. Ein Untergebener, der für ihn aus den besetzten Ostgebieten die in seinen Rüstungsbetrieben zu Zehntausenden verheizten Zwangsarbeiter zusammentrieb, endete dagegen am Strick.

Heute weiß man es besser: Albert Speer plante schon vor den Novemberprogromen von 1938, Berliner Juden aus ihren Wohnungen zu vertreiben, um darin „Arier“ unterzubringen, die wiederum seinen Plänen für Hitlers Welthauptstadt „Germania“ im Weg standen. Er war verantwortlich beteiligt an Bau und Erweiterung von Konzentrationslagern, darunter auch von Auschwitz.

Das wahre Gesicht dieses NS-Karrieristen ist Inhalt einer Wanderausstellung, die vom 07.06. – 18.08.2019 im Kölner NS-Dokuzentrum gezeigt wird. Mit Schautafeln, Film- und Tondokumenten wird hier mit der jahrelangen Verklärung um seine Person aufgeräumt.

In der Frühzeit der Bonner Republik, die geprägt war von Verdrängung der Vergangenheit und einem „Entlastungsbedürfnis“ eines großen Teils der Bevölkerung, fiel es Speer leicht, seine Legende aufrecht zu erhalten und noch auszuschmücken. Dabei halfen ihm auch alte Seilschaften aus der Vorkriegszeit, die wieder zu neuem Einfluss gekommen waren – unter anderem z. B. Adenauers Kanzleramtschef Globke.

Seine Haftentlassung 1966, zusammen mit dem HJ-Führer Baldur von Schirach, geriet zum Volksfest mit Medienhype: vor rund 1000 Schaulustigen und internationaler Presse ließ er sich von der Haftanstalt in Berlin-Spandau im Mercedes in ein Luxushotel chauffieren, und niemand fand etwas dabei. Hofiert von willfährigen Verlegern und unkritischen Medienvertretern, feilte er in der Folgezeit weiter an seiner Geschichtsverfälschung und wurde mit den Tantiemen für seine „Erinnerungen“ und den „Spandauer Tagebüchern“ zum Millionär. Die Gesamtauflage dieser Machwerke brachte es auf mehr als drei Millionen, und noch heute werden jährlich etwa 1000 Stück davon verkauft.

Bis zu seinem Tod 1981 galt de facto „kein Buch über Speer ohne Speer“. Erst danach wurde seine Rolle kritischer hinterfragt und nach und nach ins richtige Licht gerückt: zuerst 1982 durch den Historiker Matthias Schmidt (Albert Speer. Das Ende eines Mythos – Speers wahre Rolle im Dritten Reich. Scherz, München, (ISBN 3-502-16668-4), später u. a. auch durch Recherchen von Heinrich Breloer und Heinrich Schwendemann.

Heute hilft diese Ausstellung auch dabei, sich gegen die neuerlichen, von rechter Seite verbreiteten Verharmlosungen und Verfälschungen der Vergangenheit (Zitate: „Vogelschiss“, „Denkmal der Schande“ usw.) zu wappnen und abzugrenzen.

Albert Speer in der Bundesrepublik – vom Umgang mit deutscher Vergangenheit, NS-Dokumentationszentrum Köln, Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln, U-Bahn-Station Appellhofplatz der Linien 5, 16 und 18, weitere Info unter www.nsdok.de.

Udo Slawiczek

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