Ab 01.09.: ADFC startet neue Umfrage zum Fahrradklima in Deutschland


Variablen setzten Beginn

Alle 2 Jahre ermittelt der ADFC per Umfrage ein Ranking über die fahrradfreundlichsten Städte im Lande. Bei der letzten Erhebung hatte unter den Großstädten (>100.000 EW.) für viele überraschend das badische Karlsruhe die Nase vorn.

Euphorie brach dort allerdings nicht über das Ergebnis aus, denn auf den Spitzenplatz gelangte man nur, weil das über lange Zeit hier in Führung liegende westfälische Münster in der Pedaltretergunst zurück gefallen war – von der Note 3,07 auf 3,25. Und Karlsruhe rückte dann auf Platz 1, weil man dort „nur“ von Note 3,09 auf 3,15 abrutschte.

Dass eine Stadt mit der Note 3,15 schon als fahrradfreundlichste Großstadt gilt, sagt schon einiges über die Verkehrssituation in Deutschland aus. Wobei die Erhebung nach Eingeständnis des ADFC nur bedingt als repräsentativ gelten kann: so eine Umfrage ist für viele Unzufriedene die Gelegenheit, sich Luft zu machen, so dass sich möglicherweise überwiegend diejenigen dazu geäußert haben, die mehr die Mängel als die Verbesserungen im Blick hatten. Und womöglich hat gerade der zunehmende Anteil von Radlern am Straßenverkehr mit dafür gesorgt, dass die Werte allgemein nach unten gingen: wer sich in den letzten Jahren zum Umstieg aufs Rad überwunden hat, wird mit den negativen Gegebenheiten eher hadern als die damit schon vertrauten und „abgehärteteren“ Mitstreiter.  

Vom 01.09.-30.11.2020 läuft die nächste Erhebung des ADFC zum „Fahrradklima“ in Deutschland. Ob die letzten Veränderungen im Verkehrsmix – z. B. der vom Homeoffice begünstigte Rückgang der Verkehrsdichte – für eine verbesserte Stimmungslage gesorgt haben?   

Wer eine Meinung zum Radfahren in seiner Stadt abgeben will, findet den ADFC-Fragebogen ab 01.09.2020 unter www.fahrradklima-test.adfc.de.

Vor 2 Jahren hatten 170.000 Verkehrsteilnehmer an der Umfrage teilgenommen, aufgrund des weiter zugenommenen Radverkehrs hofft man jetzt auf eine noch höhere Beteiligung. Anlass auch, um vorher einmal am Beispiel des bisherigen Spitzenreiters nachzuforschen: Was hat sich für Radfahrer im Alltag und in der Freizeit seit der letzten Bewertung getan?

Fortsetzung unten!

 

Zu letzterem fällt auch Ulrich Eilmann, Sprecher der ADFC-Ortsgruppe in Karlsruhe, zunächst nicht viel ein. Zur Rechtfertigung für seine Heimatstadt führt Eilmann einige Großbaustellen wie den Bau einer neuen U-Bahn an, wegen der die Radverkehrsplanung etwas in den Hintergrund geraten sei. Immerhin würde eine neue Bahnverbindung ja auch den Autoverkehr entlasten – was auch wieder den Radlern zugutekäme. Hier und da seien in ein paar Straßen auch Autospuren in Fahrradstreifen umgewandelt worden.

Trotz geringer Fortschritte steige der Anteil der Radfahrer im Stadtverkehr kontinuierlich und läge derzeit bei etwa 30%. Ein großes Plus: Regionalexpress, S-Bahn, Straßenbahn und sogar einige Busse nehmen Fahrräder kostenlos mit, nur im Berufsverkehr zwischen 6.00 und 9.00 Uhr kostet es 2,60 €. Bemängelt werden vor allem die geringe Zahl der Fahrradstellplätze mit Festanschließmöglichkeit und die wohl damit verbundene, konstant hohe Zahl der Diebstähle in der Stadt. Hier sei man in Kontakt mit dem Stadtplanungsamt.

Die angezeigten Fahrraddiebstähle, immerhin, sind der Karlsruher Polizei nach zuletzt Jahr für Jahr stetig zurück gegangen: von 3599 in 2016 auf 2841 in 2019. Mit dem zunehmenden Radverkehr gestiegen sind dagegen leider die Unfallzahlen: von 987 in 2016 auf 1061 in 2019 (siehe Tabelle).

Unfallzahlen mit Radbeteiligung, Stadt und Landkreis Karlsruhe
Zeit Gesamt Rad/Kfz Rad/Rad Rad/Fußg. Rad/- Tote Schwerverl. Leichtverl.
2016 987 683 = 69,2 % 85 60 152 4 160 748
2017 964 658 = 68,26 % 82 48 158 8 169 726
2018 1100 737 = 67,0 % 93 54 200 4 170 842
2019 1061 721 = 67,95 % 83 55 187 7 148 801

Quelle: Pressestelle des Polizeipräsidiums Karlsruhe

An drei Tagen im August 2020 durchstreife ich selbst die Stadt und das nähere Umland. Das Problem der sicheren Anschließmöglichkeiten finde ich dabei bestätigt. Beim Verlassen des im Süden liegenden Hauptbahnhofs kommt man an einem überdachten Fahrradstellplatz vorbei. Hier stehen etwa 300 Räder und damit dreimal mehr, als es Festanschlussmöglichkeiten gibt. Es soll früher mehr Stellplätze gegeben haben, erfahre ich von einer Passantin, die gerade ihr Rad aufschließt. Die seien aber wegen einer Baustelle weggefallen.

Zur eigentlichen Radstation geht es nach rechts etwa 100 Meter weiter, dort ist gleichzeitig ein Nebenzugang zu den Gleisen. Die Radstation ist automatisiert, nach Zahlung des Obolus über ein Drehgitter zugänglich und bietet weitere 700 Stellplätze, die augenscheinlich auch ziemlich ausgelastet sind.

Auf dem Bahnhofsvorplatz sind die Haltestellen für Bus und Straßenbahn und eine Reihe Mieträder des Nahverkehrsbetreibers. Auf der anderen Seite der vorbeiführenden, verkehrsberuhigten Straße geht es in den Zoo. Die vom Hauptausgang des Bahnhofs geradeaus führende Bahnhofstraße ist als Fahrradstraße ausgewiesen, hier sind auf den Seitenstreifen weitere Festanschlussmöglichkeiten. Mit einigen Geländern, Verkehrsschildern und Zäunen summieren sich diese auf etwa 200, die ebenfalls weitgehend belegt sind – allein 55 aber von Schrotträdern, die teilweise schon etwas von Unkraut überwuchert werden. Auf dem Stellplatz vor dem Bahnhof war dies nicht der Fall – offenbar werden die Räder hier eher geklaut, bevor sie verrotten. Schrotträder könne man über eine Feedback-App der Stadt melden, die dann „irgendwann“ für eine Entfernung sorge, erfahre ich dazu von ADFC-Sprecher Eilmann.

Von den sonst üblichen städtischen Wegweisern gibt es im Umfeld des Bahnhofs nur einen, der weist am Beginn der Bahnhofstraße in Richtung Weststadt und den Ortsteil Mühlburg (noch weiter westwärts). Wer ins Zentrum oder sonstwohin will, muss sich an dem ebenfalls an der Einmündung aufgestellten Stadtplan selbst orientieren. Was gibt es wohl so Besonderes im Westen der Stadt?

Die Fahrradwegweiser sind generell etwas spärlich und lückenhaft aufgestellt, wie ich feststellen muss – und, was ich hier zum ersten Mal sehe, oft nur einseitig beschriftet. Solche Sparsamkeit hätte ich eher im schwäbischen Stuttgart erwartet (wo ich das nicht erlebt habe).

Findet man erst einmal den Weg ins Zentrum, sieht es besser aus. Und ich entdecke einige fahrradfreundliche Verkehrslösungen, die anerkennenswert und zur Nachahmung zu empfehlen sind: da wäre schon einmal die City-Route, unterteilt in eine Nord- und eine Südroute, die zusammen ein Oval rund um das Einkaufsviertel bilden und von der aus auch z. B. die Universität im Osten und der Schlossgarten im Norden erreichbar sind. Sie führt über verkehrsarme oder fürs Auto gesperrte Nebenstraßen, die an Kreuzungen aber trotzdem fast durchgehend vorfahrtberechtigt sind. Auch viele der Einkaufsstraßen innerhalb des Ovals sind für Fußgänger und Radfahrer frei gegeben.

Im Schlossgarten sind alle Wege per Rad passierbar, außer dem darin integrierten Botanischen Garten. Der kreisrund um das Barockschloss angelegte Park und die von hier aus strahlenförmig abgehenden 32 Wege und Straßen lassen heute noch nachempfinden, dass die badischen Markgrafen als einstige  Schlossherren wohl dem französischen „Sonnenkönig“ Louis XIV. nacheifern wollten.

Nordwärts führen diese Wege unterschiedlich lang durch dichten Wald und an Sportanlagen vorbei, vier davon bis über die Stadtgrenze hinaus. Auch das Wildparkstadion, Spielort des Karlsruher SC, ist so in nordöstlicher Richtung erreichbar. Die Wege sind um die 4 Meter breit und asphaltiert, wobei der Belag in unterschiedlichem Zustand ist – die Richtung Stadion führende Friedrichstaler Allee z. B. ist ein Genuss und wird augenscheinlich gern von Rennradlern zum Trainieren genutzt, auf der rechts davon gelegenen Stutenseer Allee dagegen ist der Belag zumindest am Stadtrand schon ziemlich in die Jahre gekommen, so dass ich nach 150 Metern kehrt mache.

Mit mehreren Querverbindungen lassen sich die „Strahlenwege“ für eine Ausflugsfahrt gut miteinander kombinieren. Eine davon z. B. verläuft neben dem Pfinz-Entlastungskanal, der teilweise an der mitten durch den Wald verlaufenden Stadtgrenze entlangführt. Dieser Weg ist nicht asphaltiert, aber mit Profilreifen recht gut befahrbar.

Auf einer Hauptverkehrsroute in West-Ost-Richtung, der Kaiserallee, finde ich tatsächlich einen breiten Fahrradstreifen mit durchgezogener Linie, der wohl früher einmal eine Autospur war. Allerdings nur in Richtung Innenstadt – in der Gegenrichtung ist es bei der schmaleren Version mit gestrichelter Linie geblieben.

Alternativpotential für eine verkehrsarme West-Ost-Verbindung zwischen der westlichen Weingärtensiedlung und der Innenstadt bietet eine Promenadenstraße mit breitem mittigen Grünstreifen, die mehrmals ihren Namen wechselt (Sonnenstraße, Fliederstraße, Ludwigstraße, Marumstraße, Hildapromenade), und mangels Beschilderung bisher jedoch nur Insidern vorbehalten ist. Ähnlich verhält es sich in Nord-Süd-Richtung mit der von der Hildapromenade abgehenden Blücherstraße, die dann als Franz-List-Straße am städtischen Klinikum vorbeiführt und weiter nordwärts, parallel mit einer S-Bahn-Linie, in einen Radweg durch die Heidelandschaft des ehemaligen Flughafens übergeht. An der Kreuzung aber, an der die Blücherstraße den Namen wechselt, ist noch Vorsicht geboten: die gilt als unfallträchtig.

Auch die „beliebte“ Notlösung eines mit weißer Linie halbierten Plattenwegs, der so vom Gehweg in einen Rad- und Gehweg umgewandelt wurde, ist hier mitunter zu finden (z. B. Weststadt, Reinhold-Frank-Straße). Einschließlich des direkt daneben verlaufenden Parkstreifens aus einer Zeit, als die Autos noch weniger in die Breite gebaut wurden – und jetzt gern mal 30 cm in den Radweg hineinragen. Womit dieser bei Einhaltung eines Sicherheitsabstands vor unaufmerksam geöffneten Beifahrertüren eigentlich komplett unbefahrbar ist – und die Abgrenzung zwischen Radlern und Fußgängern stellenweise wieder gestrichen wurde. Kein Wunder, dass die Karlsruher Polizei diese Straße als weiteren Unfallschwerpunkt anführt: auch bei meiner Durchfahrt sehe ich den Rettungswagen vor einem demolierten Fahrrad auf dem Asphalt.

Klingt nicht so erbaulich – gehört aber für leidgeprüfte Radler auch sonst im Lande zum normalen Alltag. Insgesamt wirkt der Stadtverkehr noch recht entspannt und geprägt von gegenseitiger Rücksichtnahme (verglichen mit manch anderem deutschen Großstadtdschungel).

Was gibt es Sehenswertes in der Stadt und Umgebung mit dem Rad zu erkunden? Da finde ich auch in der kurzen Zeit schon einiges. Und alles ohne sonderliche Steigungen.

Früher glaubte ich, Karlsruhe läge am Rhein. Das stimmt nicht so richtig. Die Stadtgrenze verläuft zwar am Strom, das Zentrum ist aber etwa 9 km davon entfernt. Über die Ortsteile Weststadt, Mühlburg und Daxlanden gelange ich auf Fahrradstraßen und guten Radwegen zum Rheinstrandbad Rappenwörth. Natürlich schwimmt man auch hier nicht direkt im Fluss, es ist ein normales Freibad mit gechlortem Wasser und Blick auf den Schiffsverkehr. Zum Areal gehört auch ein Altrheinarm, der aber nicht zum Schwimmen freigegeben ist. Vor dem Bad sind Parkmöglichkeiten für etwa 1000 Autos – und Anschließmöglichkeiten für rund 350 Fahrräder.

Das Freibad liegt in einem Auenwald mit weiteren Altrheinseen, nördlich begrenzt von einem Dampfkraftwerk und der tief ins Land ragenden Hafenbecken. Direkt am Rhein verläuft dazwischen ein grobschotteriger Uferweg, der nur bedingt fahrradtauglich ist. Auf den sonstigen Wegen lässt sich gut durch den Wald streifen.

Vor dem Rhein mäandert noch ein anderes Flüsschen gemächlich durch die westlichen Stadtteile, die aus dem Schwarzwald kommende Alb. Auf dem daneben verlaufenden, gut ausgebauten und meist kreuzungsfreien Radweg erreicht man stressfrei mehrere Stadtteile von West bis Süd: Albsiedlung, Mühlburg, Grünwinkel, Beiertheim, Bulach, Weiherfeld und Rüppurr. Unterwegs gibt es mehrmals idyllische Rastmöglichkeiten am Ufer – und mitten im Flusslauf platzierte Sitzbänke.

Die Wegbeschilderung ist hier weitgehend gut, hat aber auch noch kleinere Tücken. Bis auf 900 Meter wird man auf dieser Strecke z. B. auch an den Hauptbahnhof herangeführt – dann enden die Orientierungshilfen aber an dem vorgelagerten Albtalbahnhof, einer Straßen- und S-Bahnstation, und das letzte Stück muss man sich dann wieder selbst suchen.

Folgt man nicht dem Abzweig zum Bahnhof und bleibt hier auf dem ausgewiesenen Albradweg, hat man scheinbar die Wahl zwischen einem Radstreifen auf der Straße oder dem beidseits freigegebenen Radweg auf der linken Seite. Hier empfiehlt sich die linke Variante, denn der Radweg zweigt hinter einer Brücke von der Straße nach links ab – und hier ist wegen eines erhöhten Mittelstreifens auf der Straße von der rechten Fahrradspur aus keine Querung mehr möglich.

Trotz solch kleiner Nickeligkeiten lässt sich diese Strecke gut für eine familientaugliche Radtour nutzen. Südwärts gelangt man über den Ortsteil Rüppurr ins Nachbarstädtchen Ettlingen, dass mit Schloss und beschaulichem Zentrum aufwartet.

Für den Weg zurück bietet sich eine ausgeschilderte Strecke über die Stadtteile Wolfartsweier und Durlach an, das ebenfalls ein schönes Stadtbild zu bieten hat. Bis dahin geht es zwischendurch doch mal ein Stück leicht bergauf. Am schnellsten und einfachsten geht es dann auf Pfinztalstraße und Durlacher Allee (stark befahren, aber mit breitem Radweg ausgestattet) zurück in die Karlsruher City.

Wer noch nicht genug hat und einen größeren Bogen schlagen will, braucht hier zunächst wieder etwas Pfadfindertalent. Von der Durlacher Allee fahre ich hinter einer Bahnüberführung nach rechts in Richtung Autobahnmeisterei, vor dieser wieder rechts auf die Alte Karlsruher Straße und dann links in die Blinkstraße. Die ist als Sackgasse ausgewiesen, mit dem Rad lässt sich aber darüber hinaus weiter fahren, auch wenn dies nicht auf dem Schild erkennbar ist. Der Radweg ist asphaltiert und führt durch einige Streuobstwiesen mit Apfel- und Birnbäumen, die sichtbar mit Trockenheit zu kämpfen haben. Dabei kreuze ich erstmals den dritten Fluss der Stadt, die östlich verlaufende Pfinz. Einmal unter einer Straße durch, direkt dahinter scharf links und per Brücke über die BAB 5 mündet der Weg im Gewerbegebiet von Hagsfeld. Noch einmal links und der Kurve folgend komme ich wieder an die Pfinz, an der von hier aus ein gut befahrbarer Naturweg nordwärts führt. Nach etwa 2 km kreuzt der Fluss seinen Entlastungskanal, der dann nordwestlich in dem schon bekannten städtischen Wald die „Strahlenwege“ verbindet. Auf einem davon gelange ich so wieder zum Schlossgarten und der Innenstadt.

Fazit: ich bekomme hier nicht gerade den Eindruck, in einem regelrechten Fahrradparadies zu sein. Vielleicht bin ich verwöhnt von meinen Erfahrungen in den Niederlanden und Kopenhagen (siehe https://archiv.r-mediabase.eu/radler-traumstadt-kopenhagen/ ). Trotzdem finde ich viele gute Ansätze und erste gute Verkehrslösungen. Aber es gibt noch viel Optimierungsspielraum. Und Münster braucht die Hoffnung auf ein Comeback noch nicht aufzugeben.

 

Udo Slawiczek

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